Kann das erzwungene Fingerauflegen zur Smartphone-Entsperrung wirklich rechtmäßig sein?

Die Frage, ob das zwangsweise Auflegen des Fingers zur Smartphone-Entsperrung rechtmäßig ist, wurde am 13.03.2025 nun erstmalig durch den BGH (Beschluss v. 13.03.2025 – 2 StR 232/24) entschieden. Im Ergebnis schloss sich der BGH der – hier bereits besprochenen – Auffassung des OLG Bremen (Beschluss v. 8.01.2025 – 1 ORs 26/24) an. Nun wurde daher auch höchstrichterlich bestätigt, dass die zwangsweise Smartphone-Entsperrung mittels Fingerabdrucks zulässig ist. Diese Entscheidung ist aufgrund des erheblichen Eingriffs in das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung äußerst kritisch zu hinterfragen.

Sachverhalt

Das Amtsgericht Köln ordnete aufgrund des Verdachtes eines Verstoßes gegen ein strafgerichtlich angeordnetes Berufsverbot die Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten einschließlich seiner Person an. Die Durchsuchung sollte unter anderem dem Auffinden von Mobiltelefonen dienen. Es sei nach Auffassung des Richters zu erwarten gewesen, dass über diese Telefone auf Onlineportale zugegriffen worden sei, die der Anbahnung von (verbotenen) Betreuungsverhältnissen gedient hätten.

Bei der am Folgetag erfolgten Durchsuchung wurden von den Polizeibeamten zwei Mobiltelefone aufgefunden. Um die Mobiltelefone entsperren zu können, war der Fingerabdruck des Angeklagten erforderlich. Weil der Angeklagte nicht bereit war, die Mobiltelefone freiwillig zu entsperren, ordnete ein Polizeibeamter an, dass der rechte Zeigefinger des Angeklagten durch unmittelbaren Zwang auf den Fingerabdrucksensor der Mobiltelefone gelegt werden solle, um die Sperre aufzuheben. Die Maßnahme wurde entsprechend der Anordnung umgesetzt.

Bei der nachfolgenden Auswertung der sichergestellten Telefone des Angeklagten wurde kinderpornographisches Material gefunden, welches später zu einer Verurteilung führte. Der in der Hauptverhandlung erhobene Widerspruch des Verteidigers des Angeklagten gegen die Erhebung und Verwertung der auf dem Handy gespeicherten Daten stand einer Beweisverwertung nicht entgegen.

Rechtliche Ausführungen des Senats

Nach Auffassung des BGH war im vorliegenden Fall bereits die Beweismittelgewinnung rechtmäßig. Selbst wenn dies anders gewesen wäre, hätte sich aus der zwangsweisen Entsperrung des Handys jedenfalls kein Beweisverwertungsverbot ergeben.

Kein Verstoß gegen Selbstbelastungsfreiheit

Nach Ansicht des Senats liege kein Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur-Grundsatz) vor. Diese schütze lediglich vor der aktiven Mitwirkung an der eigenen Überführung, nicht aber vor dem Erdulden von Ermittlungsmaßnahmen. Bei dem zwangsweisen Auflegen des Fingers zum Entsperren eines Smartphones handele es sich eindeutig um die Duldung der Zwangsmaßnahme.

Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die zwangsweise Entsperrung eines biometrisch gesperrten Mobiltelefons mit dem Finger der beschuldigten Person lautet § 81b Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 94 ff. StPO. Hierbei schloss sich der BGH der vorherrschenden Auffassung in der Rechtsprechung und Teilen der Literatur an.

Nach § 81b Abs. 1 StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke eines Beschuldigten auch gegen den dessen Willen aufgenommen und Messungen sowie ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Es handele sich – nach Auffassung des Senats – jedenfalls um eine „ähnliche Maßnahme“ i.S.d. § 81b Abs. 1 StPO. Schließlich erfolge auch bei der Entsperrung eines Mobiltelefons mittels biometrischer Daten durch den Sensor des Smartphones lediglich eine Feststellung der äußeren und dauerhaften Körpermerkmale des Betroffenen.

Die Vorschrift des § 81b Abs. 1 StPO werde durch §§ 94 ff. StPO und §§ 102 ff. StPO, welche den verfassungs- und europarechtlichen Anforderungen genügten, flankiert. Diese Regelungen seien – wie bei nicht mit Fingerabdrucksensor gesicherten Daten – die Rechtsgrundlage für die Auslesung des Mobiltelefons und die anschließende Sicherung der Daten.

Einstufung als Maßnahme mit besonderer Eingriffsintensität

Entgegen der Auffassung des OLG Bremen sieht der Senat in dem Vorgehen der Polizei eine Maßnahme von besonderer Eingriffsintensität. Es liege ein (besonders schwerwiegender) Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) sowie in die auch in Art. 7 und 8 GRC verbürgten Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens beziehungsweise auf Schutz personenbezogener Daten vor. Schließlich befänden sich im Speicher von Mobiltelefonen eine Vielzahl an vertraulichen und höchstpersönlichen Daten, welche beim Zugriff auf ein Mobiltelefon potentiell der Kenntnisnahme der Ermittlungsbehörden unterlägen.

Eine generelle Unzulässigkeit des zwangsweisen Entsperrens eines Mobiltelefons mittels Fingerabdrucks ergäbe sich hieraus jedoch nicht. Vielmehr begrenze – wie auch in anderen Fällen des Eingriffs in höchstpersönliche Lebensbereiche – die Beweiserheblichkeit im jeweiligen Einzelfall den zulässigen Umfang von Ermittlungsmaßnahmen.

Eröffnung des Anwendungsbereichs von RL 2016/680/EU

Die Ermittlungsmaßnahme unterfällt – erneut entgegen der Auffassung vom OLG Bremen – dem Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27.04.2016 zum u.a. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung. Schließlich diene das zwangsweise Entsperren eines Mobiltelefons den Strafverfolgungsbehörden dazu, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten für die Zwecke strafrechtlicher Ermittlungen zu erlangen. Auch diese Tatsache stehe dem einwilligungslosen Entsperren eines Mobiltelefons allerdings nicht generell entgegen.

Einschränkende Voraussetzung: Ermittlungsmaßnahme mit Richtervorbehalt

Der BGH folgert hieraus, also der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie (EU) 2016/680, und mit Blick auf die besondere Eingriffsintensität der Ermittlungsmaßnahme, dass die Beweisgewinnung nur unter einschränkenden Voraussetzungen rechtmäßig sei. Der Zugang zu den auf dem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten bedürften – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass der den Datenzugriff begrenzende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall durch eine Gewichtung aller relevanten Gesichtspunkte gewahrt werde. Dies werde durch eine nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO richterlich angeordnete Durchsuchung gewährleistet, die gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen diene, wenn ein hinreichender Tatverdacht und die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorliege. Der Ermittlungsrichter habe – im Falle der gerichtlich angeordneten Durchsuchung – vorab zu prüfen, ob Mobiltelefone bzw. die auf diesen befindlichen Daten zu Beweiszwecken benötigt werden.

Das Ergebnis der Prüfung sei in dem Durchsuchungsbeschluss nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO zu dokumentieren. Hieraus müsse hervorgehen, dass die zur Aufklärung der Straftat erforderlichen Beweismittel gerade (auch) auf Mobiltelefonen vermutet werden und dass – unter Berücksichtigung der Schwere der Straftat und der Erfordernisse der Untersuchung – ein Zugang zum Inhalt der Kommunikationen oder zu sensiblen Daten auf einem Mobiltelefon unter Beachtung des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in Beschuldigtenrechte gerechtfertigt ist. Den Durchsuchungsbeamten würde hierdurch zugleich eine entsprechende Richtlinie für die Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses vorgegeben werden.

Kein Beweisverwertungsverbot

Abschließend betont der Senat recht knapp, dass selbst im Falle einer rechtswidrigen Beweisgewinnung im Zusammenhang mit dem zwangsweisen Entsperren eines Mobiltelefons in der Regel kein Beweisverwertungsverbot vorliege. Nach den allgemeinen Grundsätzen handele es sich bei einem Beweisverwertungsverbot um eine Ausnahme, die lediglich nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen sei. Im konkreten Fall sei kein schwerwiegender, bewusster oder objektiv willkürlicher Rechtsverstoß zu besorgen.

Kritik an der Entscheidung des BGH

Die Entscheidung des BGH ist äußerst kritisch zu hinterfragen:

Verkennung der Bedeutung der Eingriffsintensität

Zwar erkennt der BGH an, dass es sich bei dem zwangsweisen Entsperren eines Mobiltelefons um eine Maßnahme mit besonderer Eingriffsintensität handelt. Diese Tatsache scheint sich jedoch nicht in den von dem BGH vorgegebenen Voraussetzungen widerzuspiegeln, die sich aus der (mangels eigenständiger Rechtsgrundlage konstruiert wirkenden) Verknüpfung von § 81b Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 94 ff. StPO ergeben.

Im digitalen Zeitalter kommt den Daten auf einem Mobiltelefon eine erhebliche Bedeutung zu. Dies erfährt man „am eigenen Leibe“, wenn das Smartphone vergessen oder verloren wird. In der Regel finden sich auf einem Smartphone gerade eine Vielzahl an vertraulichen und höchstpersönlichen Daten, beispielsweise in Form von Kommunikationsverläufen, Standortdaten, Lichtbildern, Videoaufnahmen, Notizen sowie Kalendereinträgen. Es lassen sich detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen finden und häufig genaue Schlüsse auf politische, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen ziehen. Diese Informationen dem Staat derart einfach und lediglich unter den Voraussetzungen von § 81b Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 94 ff. StPO zur Verfügung zu stellen, erscheint vor dem Hintergrund der erheblichen Eingriffsintensität nicht gerechtfertigt zu sein.

Keine „ähnliche Maßnahme“ i.S.d. § 81b Abs. 1 StPO

Vergleicht man die Varianten von § 81b Abs. 1 StPO scheinen etwa Messungen und die Aufnahme von Lichtbildern sowie Fingerabdrücken keine Ermittlungsmaßnahmen zu sein, die mit dem Eingriff bei zwangsweisem Entsperren von Mobiltelefonen vergleichbar sind. Es kann hierbei nicht isoliert betrachtet werden, dass das zwangsweise Auflegen des Fingers lediglich zum Entsperren des Handys dient und das Durchsehen und Sichern der Daten auf einer anderen Rechtsgrundlage fußt. Vielmehr müssen der Sinn und Zweck, mithin Zugriff auf die Daten zu erhalten, bereits bei der Anwendung von § 81b Abs. 1 StPO Berücksichtigung finden. Von einer „ähnliche[n] Maßnahme“ i.S.d. § 81b Abs. 1 StPO kann – aufgrund der Eingriffsintensität und der fehlenden Vergleichbarkeit mit den anderen Varianten – deshalb nicht gesprochen werden.

Kein hinreichender Schutz des Beschuldigten durch Flankierung zu §§ 94 ff. StPO

Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht durch die Flankierung zu §§ 94 ff. StPO. Schließlich unterliegt auch die Beschlagnahme von Daten nicht derart strengen Anforderungen, dass die Eingriffsintensität der Maßnahme gerechtfertigt werden könnte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Betroffene durch die Sperrung seiner Daten (etwa mittels Abfrage eines Fingerabdrucks) bewusst nach außen zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt wissen möchte.

Der Senat knüpft die Rechtmäßigkeit des zwangsweisen Entsperrens von Mobiltelefonen ferner an die Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme. Auch dies genügt jedoch nicht, um den intensiven Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Betroffenen abzufedern. Schließlich ist Durchsuchungen bei Beschuldigten in der Regel immanent, dass diese in einem sehr frühen Stadium im Ermittlungsverfahren stattfinden. Wenngleich nach § 105 Abs. 1 StPO grundsätzlich ein Richtervorbehalt erforderlich ist, setzt die Durchsuchung in der Sache bei dem Beschuldigten nach § 102 StPO lediglich voraus, dass der geringste Verdachtsgrad, namentlich ein Anfangsverdacht, vorliegt, der Zweck der Durchsuchung (Alt. 1: Ergreifung des Verdächtigen, Alt. 2: Vermutung des Auffindens von Beweismitteln) gegeben ist und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird.

Im Übrigen scheinen die Voraussetzungen, die für die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme durch den Senat festgelegt wurden, nicht auf der (konstruierten) Rechtsgrundlage zu beruhen, sondern ad libitum festgesetzt worden zu sein. So lässt sich beispielsweise weder § 81b Abs. 1 StPO, §§ 94 ff. StPO noch §§ 102 ff. StPO die Voraussetzung entnehmen, dass ein „hinreichender Tatverdacht“ vorliegen muss. Dennoch betont der Senat, dass dem nötigen Richtervorbehalt dann genüge getan sei, wenn „bei hinreichendem Tatverdacht und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit“ eine Durchsuchung richterlich angeordnet werde, die gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen diene.

Ungleichbehandlung der Möglichkeiten zur Sperrung des Zugangs zu eigenen Daten

Im Übrigen darf es – vor dem Hintergrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – keinen Unterschied machen, auf welche Art und Weise der Betroffene die eigenen Daten vor Zugriff von außen geschützt hat. So ist beispielsweise anerkannt, dass der Betroffene nicht verpflichtet ist, den Ermittlungsbehörden die eigene PIN-Nummer auszuhändigen, da dies eine aktive Handlung erfordern würde, welche der Selbstbelastungsfreiheit entgegenstünde (s. etwa Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, 193, 199 m.w.N.). Im Ergebnis darf nichts anderes gelten, wenn der Betroffene den Schutz der eigenen Daten durch Sicherung mittels Fingerabdrucks oder Gesichtserkennung wählt. Dies würde ansonsten den Zugriff von Zufälligkeiten abhängig machen, die sich sachlich nicht rechtfertigen lassen.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die Entscheidung des Senats ist auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich und sollte in jedem Fall vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Der erhebliche Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) kann unter den vom Senat entwickelten Voraussetzungen nicht gerechtfertigt werden. Zum einen setzt die Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine hinreichende gesetzliche Grundlage voraus. Diesbezüglich ist bereits höchst fraglich, ob die (konstruierte) Rechtsgrundlage des § 81b Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 94 ff. StPO diese Voraussetzung erfüllt. Zum anderen wurde bei der Auslegung der Vorschrift des § 81b Abs. 1 StPO die Bedeutung und Wertung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verkannt bzw. nicht hinreichend gewürdigt. Gleiches gilt für die Entwicklung der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Ermittlungsmaßnahme.

Appell an den Gesetzgeber

Die Maßnahme auf die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage von § 81b Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 94 ff. StPO zu stützen, erscheint vor dem Hintergrund der Eingriffsintensität nicht nachvollziehbar. Ferner wird verkannt, dass Zwang nach § 136a Abs. 1 S. 2 StPO nur dann angewendet werden darf, soweit das Strafverfahrensrecht dies zulässt. Hieraus lässt sich ableiten, dass bei der Wahl der Rechtsgrundlage besondere Vorsicht geboten ist. Schließlich zeigt die Vorschrift des § 136a Abs. 1 S. 2 StPO bereits durch den Wortlaut („nur“), dass Zwangsmaßnahmen lediglich in Ausnahmefällen zulässig sind.

Um dem Einhalt zu gebieten, sollte sich der Gesetzgeber schnellstmöglich positionieren und das zwangsweise Entsperren eines Mobiltelefons mittels Fingerabdrucks allenfalls als Ermittlungsmaßnahme „ultima ratio“ zulassen. Zu erwägen wäre, diese Ermittlungsmaßnahme nur dann als rechtmäßig anzusehen, wenn der Betroffene der Tat dringend verdächtigt ist, eine Straftat von schwerwiegendem Gewicht im Raum steht und andere Maßnahmen in jedem Fall keinen Erfolg versprechen. Das vom BGH – im Unterschied zum OLG Bremen – nun entwickelte Erfordernis des Richtervorbehalts ist zu begrüßen und beizubehalten.

Ferner sollte überlegt werden, ob es – vor dem Hintergrund der erheblichen Eingriffsintensität – wirklich gerechtfertigt sein kann, im Falle einer rechtswidrigen Beweisgewinnung ein Beweisverwertungsverbot nur in Ausnahmefällen anzuerkennen. In diesem Zusammenhang wäre zunächst zu diskutieren, ob nicht bereits die Vorschrift des § 136a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 StPO Anwendung finden kann. Hiernach darf etwa die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Beschuldigten nicht durch körperliche Eingriffe beeinträchtigt werden. Lehnt man dies (etwa vor dem Hintergrund des Wortes „Eingriff“) ab, so ist der Gesetzgeber aufgefordert, über eine Erweiterung der Vorschrift des § 136a Abs. 1 StPO nachzudenken.

Ausblick

Der BGH lässt offen, wie diese Entwicklung zukünftig weitergehen wird. Bedenkt man, dass nicht nur Smartphones, sondern etwa auch Notebooks mittels Fingerabdrucks vor dem Zugriff Dritter auf die persönlichen Daten geschützt werden können, wird erkennbar, welche weitreichenden Folgen die Entscheidung des BGH haben wird. Es steht zu befürchten, dass der Senat auch in einem solchen Fall das erzwungene Auflegen des Fingers zur Entsperrung des Notebooks grundsätzlich als zulässig erachten wird.

Im Übrigen hat sich der Senat – mangels Entscheidungsrelevanz – nicht dazu geäußert, ob der Betroffene auch verpflichtet ist, Ermittlungsmaßnahmen zu dulden, die eine Entsperrung des Smartphones mittels Gesichtserkennung (Face-ID) ermöglichen. Das OLG Bremen geht demgegenüber davon aus, dass – im Hinblick auf die Vorschrift des § 81b Abs. 1 StPO – Ähnliches auch für eine Entsperrung durch eine Gesichtserkennung oder einen Irisscan gelten müsse.

Diese Ausdehnung erscheint indes höchst fragwürdig. Schließlich berücksichtigt diese Ansicht nicht hinreichend, dass der Betroffene bei geschlossenen Augen zum Öffnen der Augen gezwungen werden könnte, was mit dem zwangsweisen Auflegen eines Fingers kaum vergleichbar ist. Von Dritten unter Zwang die Augen geöffnet zu bekommen, dürfte – aufgrund der Empfindlichkeit der Augenregion –regelmäßig deutlich schmerzhafter sein als das zwangsweise Auflegen eines Fingers auf das Smartphone. In diesem Fall dürfte nicht nur ein erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegen, sondern ebenfalls in die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen. Dieser Aspekt müsste bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme in jedem Fall hinreichend gewürdigt werden.

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