Sexuelles Fehlverhalten im Krankenhaus – aktuelle Studie bestätigt besorgniserregende Zahlen

Sexuelles Fehlverhalten ist Teil des Krankenhausalltags. Das bestätigen immer wieder Studien – zuletzt im Juni 2025. An der Studie, die im Juni 2025 veröffentlicht wurde, nahmen insgesamt 1.500 Ärztinnen und Ärzte sowie 2.300 Pflegerinnen und Pfleger der Unikliniken Ulm, Freiburg, Tübingen und Heidelberg teil. Krankenhausgeschäftsführer und Compliance-Abteilungen müssen die Ergebnisse sehr ernst nehmen.

Zentrale Befunde der Studie

Von den Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern gaben

  • 74,2 % der Ärztinnen
  • 77,1 % der Pflegerinnen
  • 51,2 % der Ärzte
  • 68,2 % der Pfleger

an, im Krankenhaus schon einmal sexuelle Belästigungen erfahren zu haben. Rund ein Drittel der Belästigungen sollen sich in den letzten 12 Monaten ereignet haben. Die Übergriffe gingen sowohl von Patienten als auch von Kollegen aus. Als Belästigungen wurden sowohl physische als auch verbale und non-verbale Belästigungen erfasst. Dabei lag der Schwerpunkt deutlich auf den verbalen Belästigungen – dem sog. Cat-Calling:

Fallgruppe Ärztinnen Ärzte Pflegerinnen Pfleger
Sexuelle Bemerkungen / zweideutige Anspielungen

 

53,6 % 26,9 % 52,9 % 35,0 %
Geschichten mit sexuellem Inhalt 35,7 % 25,7 % 43,9 % 42,3 %
Ungewollte sexuelle Angebote 18,9 % 12,2 % 26,3 % 17,6 %
Abwertung / obszöne Inhalte (Tel., Briefe, E-Mails, SMS) 12,2 % 18,4 % 12,2 % 17,4 %
Pfeifen, Anstarren, entkleidende Blicke 32,1 % 9,3 % 45,7 % 15,8 %
Anstößige Gesten und Handzeichen 16,1 % 13,7 % 29,9 % 27,4 %
Vorteile für sexuelle Gefallen 2,2 % 1,5 % 3,0 % 1,8 %
Ungewollter physischer Kontakt 45,2 % 22,9 % 54,9 % 38,8 %
Grapschen / versuchte Küsse 10,9 % 4,7 % 20,4 % 14,0 %
Sexueller Übergriff 1,4 % 0,8 % 4,2 % 1,1 %

Physische Übergriffe können strafbar sein. Verbale Übergriffe sind in der Regel nicht strafbar – werden aber von § 3 Abs. 4 AGG als sexuelle Belästigungen erfasst. Die Bundesjustizministerin Stefanie Hubig kündigte allerdings zuletzt konkrete Schritte an, um “Catcalling” unter Strafe zu stellen.

Prävention

Arbeitgeber müssen präventive Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor #metoo-Belästigungen ergreifen. Hierzu gehören unter anderem klare Compliance-Richtlinien zum gewünschten Umgang miteinander, die Schulung der Mitarbeiter zu den Grenzen zwischen freundschaftlichem und übergriffigen Verhalten und eine unternehmensinterne „Speak-Up-Kultur“. Letztere ist besonders wichtig. Die Krankenhausleitung kann nur reagieren, wenn sie Kenntnis von etwaigen Vorgängen im Haus erhält. Das setzt voraus, dass sich Mitarbeiter trauen, ihr entsprechende Hinweise zu geben und diese nicht verschweigen. Diesen Schritt wagen die Mitarbeiter aber nur, wenn sie sich sicher sind, dass ihre Hinweise ernst genommen werden und ihnen keine nachteiligen Konsequenzen drohen. Gerade wenn das Fehlverhalten von ihren Vorgesetzten ausgeht, sind die emotionalen Hürden groß. Es liegt insoweit vor allem an der Krankenhausleitung, klarzustellen, dass sexuelles Fehlverhalten unabhängig von der Position im Krankenhaus nicht geduldet wird.

Aufklärung

Werden Vorwürfe intern erhoben, müssen diese durch die Krankenhausleitung ernstgenommen und ordnungsgemäß aufgeklärt werden. Insoweit ist auf die Ausführungen des LG Oldenburg in einer strafrechtlichen Entscheidung zu verweisen: „Dabei ist den Angeklagten vorzuwerfen, dass sie fahrlässig den ihnen bekannten Umstände nicht in der gebotenen Weise nachgegangen sind. Dass sie aus Angst, jemanden falsch zu verdächtigen oder aber auch aus Sorge um ihren eigenen und den Ruf des Klinikums O. zu zögerlich handelten. Ihnen ist zum Vorwurf zu machen, dass sie aus falscher Rücksichtnahme nicht mit der gebotenen Konsequenz an der Aufarbeitung der deutlich gegebenen Hinweise arbeiteten und auf eine frühere Freistellung des Zeugen H. nicht hinwirkten“ (Urteil vom 13.10.2022 – 5 Ks 800 Js 69047/14 (20/16)). Da die Aufklärung und ihre Ergebnisse sowohl für arbeits- als auch für strafrechtliche Verfahren bedeutsam sein können, empfiehlt es sich, eine auf interne Untersuchungen spezialisierte Kanzlei einzubinden.

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