Dealende Ärzte? Falsch-Verordnung von Medizinal-Cannabis und strafrechtliche Konsequenzen

Der Bedarf an medizinischem Cannabis wächst

Die Verordnung von Medizinal-Cannabis (Cannabis zu medizinischen Zwecken) gewinnt in der ärztlichen Praxis an Bedeutung. Seitdem Medizinal-Cannabis durch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetz (BtMG) im Jahr 2017 verkehrs- und verordnungsfähig wurde, stiegen die Importmengen an Cannabisblüten zur medizinischen Versorgung.  Von 124,8 kg im ersten Quartal 2017 wuchs der Import auf 2349,3 kg im zweiten Quartal 2020 an. Im Jahr 2021 meldete die Bundesopiumstelle einen Import von 20,6 Tonnen Cannabis zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken. Medizinisches Cannabis wird in Form von getrockneten Blüten und Extrakten verordnet.

Vorsicht bei der Verschreibung von medizinischem Cannabis

Ärzte, die Cannabisblüten und Extrakte aus Cannabis mittels eines Betäubungsmittelrezepts verordnen, brauchen eine sorgfältige Indikationsstellung und Dokumentation. Die Verordnung muss außerdem dem Ultima Ratio Gebot entsprechen. Ultima Ratio heißt, , dass die Verordnung von Medizinal-Cannabis die letztverbleibende Behandlungsalternative darstellen muss. Solange andere Behandlungsmethoden in Betracht kommen, darf Medizinal-Cannabis nicht verordnet werden. Wer diese Vorgaben missachtet, macht sich strafbar (Verstoß gegen das BtMG, Abrechnungsbetrug u.a.).

BGH-Entscheidung als Praxis-Beispiel

Exemplarisch hier ein Fall aus Bayern, der unlängst auch den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2023, 1 StR 266/22). Der Angeklagte war ehemals praktischer Arzt. Nach den Urteilsgründen beschloss er unter dem Deckmantel seiner ärztlichen Zulassung Handel mit Marihuana zu betreiben. Er mietete hierzu Praxisräume an und verschrieb in der Zeit von März 2017 bis Juli 2018 in mehreren hundert Fällen Cannabis an eine Vielzahl von vermeintlichen Patienten. Eine medizinische Indikation oder eine vorherige körperlich Untersuchung gab es nicht. Seine Leistungen rechnete er nicht nach der Gebührenordnung für Ärzte ab, sondern verlangte Barzahlungen in Höhe von 120 Euro (im Jahr 2017) beziehungsweise 150 Euro (ab 2018) für eine Erstverschreibung. Für Folgeverordnungen machte er Kosten in Höhe von 60 Euro geltend. Er nahm so insgesamt mindestens 48.300 Euro ein. Das Landgericht München I hat die Taten jeweils als – gewerbsmäßiges – Verschreiben von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6a BtMG gewertet. Es verurteilte den Angeklagten, ausgehend von dem Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Darüber hinaus ordnete es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 47.740 € an. Ein beschränktes Berufsverbot für die Dauer von drei Jahren kam noch hinzu.

Der Bundesgerichtshof bestätigte den Schuldspruch wegen des unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln dem Grunde nach.

Konsequenzen

Die gründliche Dokumentation der Anamnese und des Behandlungsverlaufs ist für Ärztinnen und Ärzte extrem wichtig, besonders wenn am Ende die Verschreibung von medizinischem Cannabis vorgesehen ist. Das Ultima Ratio Prinzip ist zu beachten, was nachvollziehbar festgehalten werden muss. Potentielle Lücken in der Dokumentationskette können für Ärztinnen und Ärzte massive strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Reputationsschaden ist in solchen Fällen enorm. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu einer strafrechtskonformen Verordnung von Medizinal-Cannabis haben. Auch für sensibilisierende Inhouse-Schulungen in Krankenhäusern und Medizinische Versorgungszentren stehen wir jederzeit zur Verfügung.

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