Durchsuchungen Teil 1: die rechtlichen Voraussetzungen

In letzter Zeit haben mehrere Durchsuchungen in Ermittlungsverfahren für Aufsehen gesorgt: Die frühere Wohnung eines Twitterers, der Hamburgs Innensenator auf Twitter beschimpfte, wurde durchsucht, um das Gerät ausfindig zu machen, mit dem der Tweet abgesetzt wurde. Im Zuge von Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des Zolls (FIU) wurden Durchsuchungen im Bundesfinanzministerium und -justizministerium in Berlin durchgeführt. Räume der Kanzlei Freshfields wurden im Rahmen von Cum-Ex-Ermittlungen gegen Dritte durchsucht. Anlass genug, in diesem Beitrag die Voraussetzungen und den Ablauf einer Durchsuchung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Was ist eine Durchsuchung?

Unter einer Durchsuchung versteht man das zielgerichtete Suchen in Räumlichkeiten oder an Personen, um Personen oder Gegenstände (insb. Beweismittel) zu finden und dann auf Grundlage der §§ 94 ff. StPO sicherzustellen oder zu beschlagnahmen.

Durchsuchungen treffen immer häufiger auch Unternehmen. Grund dafür ist, dass Unternehmen deutlich häufiger in den Fokus der Verfolgungsbehörden geraten. Gleichzeitig speichern Unternehmen riesige Datenmengen, die vor allem für die Aufklärung von Straftaten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts von Bedeutung sein können.

Bei einer IT-Durchsuchung handelt es sich im Übrigen auch um eine „normale“ Durchsuchung, die auf denselben rechtlichen Grundlagen beruht. Der Fokus der Ermittler liegt nur stärker auf der Sichtung und Sicherung von EDV-Anlagen. (Welche Besonderheiten sich hier für die Betroffenen  ergeben, erläutern wir demnächst in einem weiteren Beitrag.)

Welche rechtlichen Voraussetzungen gelten für eine Durchsuchung?

Die rechtlichen Grundlagen finden sich in §§ 102 bis 110 StPO. Dabei sind zwei Konstellationen zu entscheiden:

  1. Durchsuchung beim Beschuldigten nach § 102 StPO:
    Diese Variante betrifft den Fall der Hamburger Innensenators. Die Ermittler durchsuchten hier die (frühere) Wohnung des Tweet-Urhebers. Voraussetzung für eine solche Durchsuchung ist, dass ein Anfangsverdacht vorliegt. Die Hürde dafür ist nicht besonders hoch. Es genügen tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat.
  2. Durchsuchung bei anderen Personen“ nach § 103 StPO:
    Die Durchsuchungen bei den Bundesministerien und im Fall Freshfields betreffen die zweite Variante, die Durchsuchung bei anderen Personen. Eine solche ist nur zulässig, wenn es um die Ergreifung des Beschuldigten, der Verfolgung von Spuren einer Straftat oder der Beschlagnahme bestimmter Gegenstände geht. Außerdem muss es konkrete Hinweise darauf geben, dass diese in den Räumen der anderen Personen zu finden sind.

Was bedeutet bei Verhältnismäßigkeit bei einer Durchsuchung?

Weil eine Durchsuchung einen schweren Eingriff in die Grundrechte darstellt, ist bei der Frage, ob sie zulässig ist, immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Besteht die Möglichkeit, das gleiche Ziel (z.B. Beweisgewinnung) durch weniger einschneidende Mittel zu erreichen, scheidet eine Durchsuchung in der Regel aus. Bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit kommt es im Übrigen auf verschiedenste Faktoren an, unter anderem kann der Grad der Schwere der (vermuteten) Straftat dafür sprechen, eine Durchsuchung zuzulassen.

Und was ist der Richtervorbehalt?

Der Richtervorbehalt soll garantieren, dass vor einer Durchsuchung eine unabhängige Instanz die Voraussetzungen, etwa den Anfangsverdacht und die Verhältnismäßigkeit, prüft. Die Staatsanwaltschaft beantragt dazu den Durchsuchungsbeschluss beim zuständigen Ermittlungsrichter, der den Bescheid prüft und gegebenenfalls erlässt.

Der richterliche Beschluss muss konkrete Angaben zur mutmaßlichen Straftat und Zweck, Ziel und Ausmaß der Durchsuchung enthalten. Er ist maximal sechs Monaten gültig und berechtigt nur zur einmaligen Durchsuchung, die zwar kurz pausiert, aber nicht über mehrere Tage gestreckt werden darf.

Ausnahmsweise kann die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss anordnen, nämlich dann, wenn „Gefahr im Verzug“ vorliegt, also z.B. eine richterliche Anordnung nicht abgewartet werden kann, weil in der Zwischenzeit Beweismittel vernichtet werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht stellt an eine solche Durchsuchung allerdings erhöhte Anforderungen. So muss die Staatsanwaltschaft unter anderem konkret dokumentieren, warum sie eine Gefahr im Verzug angenommen hat.

Kann man sich gegen Durchsuchungen wehren?

Die Ermittler kündigen Durchsuchungen in der Regel nicht an. Der Durchsuchungsbeschluss kann also nicht im Vorhinein mit Rechtsmitteln angegriffen werden. Der Betroffene ist also zunächst darauf angewiesen, dass ein Richter die Verdachtslage und die Verhältnismäßigkeit sorgfältig prüft.

Während der Durchsuchung sollten Betroffene vorsorglich einen förmlichen Widerspruch gegen die Beschlagnahme zu Protokoll geben. Sie sollten außerdem auf die Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen bestehen. Das hat zur Folge, dass – sollte später ein Rechtsmittel gegen die Durchsuchung eingelegt werden –, die Unterlagen erst nach der Entscheidung eines Richters ausgewertet werden können.

Nach der Durchsuchung können Betroffene gegen den richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss eine Beschwerde gemäß § 304 StPO einlegen. Dies zum Beispiel mit dem Argument, dass die Durchsuchung unverhältnismäßig war. Dies macht die Durchsuchung zwar nicht mehr rückgängig. Aber die Feststellung der Rechtswidrigkeit kann aus Gründen der Rehabilitation des Betroffenen oder wegen einer Wiederholungsgefahr sinnvoll sein.

Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Beweise dann nicht verwertet werden dürfen, wenn schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße vorliegen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig und systematisch außer Acht gelassen worden sind (BGH NJW 2017, 133).

Fazit

Im Ergebnis sind die rechtlichen Anforderungen an eine Durchsuchung nicht sehr hoch. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie man sich am besten auf eine Durchsuchung vorbereitet und sich bei einer konkret stattfindenden Durchsuchung richtig verhält. Den genauen Ablauf einer Durchsuchung erläutern wir in Kürze im Teil 2 unseres Beitrags zum Thema Durchsuchungen. Sie lesen hier dann auch eine Checkliste mit Tipps für den Fall, dass die Ermittler vor der Tür stehen.


Teil 2: Checkliste für den Ernstfall

Teil 3: Die IT-Durchsuchung

Teil 4: Wie läuft eine Durchsuchung ab?

Teil 5: Beschlagnahme von Verteidigerunterlagen

Sie haben Fragen zum Thema? Sprechen Sie uns gerne direkt an.

Maximilian Janssen ist Legal Counsel für Compliance bei der GEA Group in Düsseldorf. Bis Oktober 2021 war er als Partner bei Wessing & Partner tätig und als solcher spezialisiert auf die Verteidigung von Einzelpersonen und Unternehmen in Kartellbußgeldverfahren. Er verfügt über besondere Expertise im Bereich Compliance sowie Wirtschaftsstrafrecht und ist erfahren mit der Durchführung von Internal Investigations. Maximilian Janssen ist zudem Lehrbeauftragter an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Düsseldorf.