Durchsuchungen Teil 2: Checkliste für den Ernstfall

In Teil 1 dieses Beitrags haben wir die rechtlichen Hintergründe einer Durchsuchung erklärt. Doch wie wappnet man sich am besten für den Ernstfall? Welche Verhaltensweisen halten die Störung des Betriebsablaufs gering? Und wie schützen Sie möglichst Ihre Betriebsgeheimnisse? Im Folgenden haben wir für Sie fünf wesentliche Regeln zusammengestellt, die Sie beherzigen sollten, wenn die Ermittler vor der Tür stehen.

1. Ruhe bewahren!

Klassischerweise beginnt die Durchsuchung morgens früh (deswegen auch „dawn raids“ genannt), wenn die Geschäftsführung oftmals noch nicht im Haus ist. Dadurch soll ein Überraschungs- und Überrumpelungseffekt erzielt werden. Wichtig ist, dass Sie sich nicht verunsichern lassen und ruhig bleiben.

Die Weichen werden am Empfang gestellt. Die Ermittler sollten dort höflich begrüßt und möglichst sogleich in ein leeres Besprechungszimmer begleitet werden. Dann kontaktieren Sie bzw. Ihre Empfangsmitarbeiter den in ihrem Unternehmen bestimmten Durchsuchungsmanager (sofern vorhanden) und rufen gleich einen externen Strafverteidiger an, der möglichst schnell vor Ort ist, um die Durchsuchung zu begleiten. Wichtig ist, dass dessen Kontaktdaten dem Empfang bekannt sind.

Vergessen Sie nicht, sich die Dienstausweise der Ermittler zeigen zu lassen. Und notieren Sie sich die Daten des Einsatzleiters als Ansprechpartner.

2. Durchsuchungsbeschluss prüfen

Voraussetzung für eine rechtmäßige Durchsuchung ist grundsätzlich ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss. Diesen lassen Sie sich gleich zu Beginn aushändigen, überprüfen ihn und machen eine Kopie davon. Der Beschluss muss konkrete Angaben zur mutmaßlichen Straftat sowie Zweck, Ziel und Ausmaß der Durchsuchung beinhalten. Dazu gehören die zu durchsuchenden Räumlichkeiten und die gesuchten Beweismittel. Zudem darf der Beschluss nicht älter als sechs Monate sein.

3. Beamte nicht unbeaufsichtigt durchsuchen lassen

Schon wegen dieser Vorgaben sollten Sie die Beamten während der gesamten Durchsuchung keinesfalls unbeaufsichtigt lassen. Es geht darum sicherzustellen, dass die Ermittlungsbeamten wirklich nur die Räumlichkeiten durchsuchen, die im Beschluss aufgeführt sind. Eine gezielte Suche nach Beweismitteln, die nicht vom Beschluss erfasst sind, ist unzulässig. Idealerweise sollte ein Anwalt die Ermittlungspersonen auf „Schritt-und-Tritt“ begleiten.

4. Nicht in vermeintlich harmlose Plaudereien verwickeln lassen

Die Ermittler sind grundsätzlich berechtigt, die Identität der Anwesenden festzustellen. Auch können sie verlangen, dass Sie Informationen zu Standorten der Beweismittel preisgeben.

Weitere Fragen müssen Sie aber nicht beantworten. Und das sollten Sie auch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich wissen lassen. Denn: Die Beamten versuchen mitunter, vermeintlich harmlose Plaudereien zu beginnen. Diese können von Fragen nach dem letzten Urlaub bis zu Verantwortungsbereichen im Unternehmen reichen. Es besteht dann die akute Gefahr, dass Mitarbeiter überrumpelt werden und die Tragweite ihrer Auskünfte nicht richtig einschätzen.

Die Angaben von Mitarbeitern bei solchen informellen Gesprächen finden sich oft in Vermerken der Ermittlungsbeamten wieder. Dann können sie auch im weiteren Verfahren verwertet werden.

Idealerweise sind Ihre Mitarbeiter daher möglichst gut geschult auf solche Situationen und kennen ihre Rechte und Pflichten als Zeuge.

5. Wenn sich die Durchsuchung dem Ende neigt

Im Zuge der Durchsuchung stellen die Beamten Unterlagen sicher. Werden Dokumente sichergestellt oder beschlagnahmt, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs von Bedeutung sind, sollten Sie davon möglichst Kopien anfertigen. Sie sollten Unterlagen in der Regel nicht freiwillig herausgeben und deshalb im Zweifel vorsorglich einen förmlichen Widerspruch gegen die Beschlagnahme einlegen. Diesen Widerspruch müssen die Ermittler zu Protokoll nehmen.

Gegen Ende der Durchsuchung müssen Ihnen die Beamten eine Durchsuchungsniederschrift und ein Sicherstellungsverzeichnis aushändigen. Dieses Sicherstellungsverzeichnis muss sämtliche beschlagnahmten Unterlagen aufführen. In bestimmten Fällen, vor allem wenn unklar ist, ob die Mitnahme zulässig ist, sollten Sie auf die Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen bestehen. Legen Sie nämlich später ein Rechtsmittel gegen die Durchsuchung ein, können die Ermittler diese Unterlagen erst nach der Entscheidung eines Richters auswerten.

Die Durchsuchung ist abgeschlossen, sobald die Beamten das Unternehmen verlassen. Das heißt: Die Ermittler dürfen dann nicht mit dem gleichen Durchsuchungsbeschluss noch einmal wiederkommen und die Durchsuchung wiederholen oder fortsetzen. Dafür brauchen sie einen neuen Beschluss.

Fazit: Vorsicht ist besser als Nachsicht

Aufgabe der Ermittler ist es, durch geschicktes Vorgehen an möglichst viele Informationen zum Nachweis der Tat zu gelangen. Je besser Sie daher auf den Ernstfall einer Durchsuchung vorbereitet sind, desto weniger Fehler passieren.

Deshalb ist es unbedingt ratsam, Maßnahmen zur Vorbereitung zu treffen, die einen geordneten Ablauf und eine professionelle Begleitung der Durchsuchung sicherstellen. Dazu gehört es, einen unternehmensinternen Durchsuchungsmanager zu bestimmen, der im Fall der Fälle die Durchsuchung begleitet. Es gilt, die Mitarbeiter zu schulen, wie sie sich etwa bei Vernehmungen oder informellen Befragungen verhalten sollten. Und nicht zuletzt sollte sichergestellt sein, dass Sie schnell einen Strafverteidiger hinzuziehen können, der darauf achtet, dass alle strafprozessualen Vorschriften eingehalten werden.

Werden diese Maßnahmen vor und während einer Durchsuchung beachtet, ist ein Unternehmen gut für das Ereignis einer Durchsuchung gewappnet.


Teil 1: Durchsuchungen – die rechtlichen Voraussetzungen

Teil 3: Die IT-Durchsuchung

Teil 4: Wie läuft eine Durchsuchung ab?

Teil 5: Beschlagnahme von Verteidigerunterlagen

Sie haben Fragen zum Thema? Sprechen Sie uns gerne direkt an.

Maximilian Janssen ist Legal Counsel für Compliance bei der GEA Group in Düsseldorf. Bis Oktober 2021 war er als Partner bei Wessing & Partner tätig und als solcher spezialisiert auf die Verteidigung von Einzelpersonen und Unternehmen in Kartellbußgeldverfahren. Er verfügt über besondere Expertise im Bereich Compliance sowie Wirtschaftsstrafrecht und ist erfahren mit der Durchführung von Internal Investigations. Maximilian Janssen ist zudem Lehrbeauftragter an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Düsseldorf.