Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen der Türkei und Deutschland

Relativ überraschend hat die Türkei nach einem Präsidialbeschluss vom 31. Mai 2021 den Startschuss für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Deutschland gegeben. Damit werden die Daten türkischer Finanzinstitute an den deutschen Fiskus gelangen. Was müssen Kontoinhaber dazu wissen? – Im Folgenden geben wir Antworten auf die wesentlichen Fragen. 

Worum geht es bei dem automatischen Informationsaustausch?

Finanzinstitute in der Türkei melden grundsätzlich Daten über Bank- und andere Finanzkonten über die türkischen Finanzbehörden an die deutschen Finanzbehörden, wenn der Kontoinhaber in Deutschland ansässig ist. Ebenso melden die deutschen Finanzbehörden Daten über Konten bei Finanzinstituten in Deutschland von Kontoinhabern, welche in der Türkei ansässig sind, an die türkischen Finanzbehörden.

Der Austausch der Daten erfolgt, wie der Name schon sagt, automatisch, also ohne konkrete Nachfrage des anderen Staates für alle Finanzkonten, welche die Kriterien erfüllen.

Was ist die Rechtsgrundlage für den Datenaustausch?

Der Datenaustausch erfolgt aufgrund eines internationalen Abkommens aus dem Jahr 2014. Mehr als 100 Staaten haben das Abkommen inzwischen unterzeichnet und tauschen die entsprechenden Daten untereinander aus. Dazu gehören auch Deutschland und die Türkei.

Die Staaten setzen das Abkommen durch nationale Gesetze in geltendes Recht um. In Deutschland ist dies das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) aus dem Jahre 2015.

Wann ist ein Inhaber von Konten in der Türkei vom Datenaustausch nach Deutschland betroffen?

Maßgeblich ist, ob der Kontoinhaber in Deutschland ansässig ist. Welche Staatsangehörigkeit der Kontoinhaber hat, ist unerheblich.

Ein Kontoinhaber ist in Deutschland ansässig, wenn er hier eine ständige Wohnstätte hat. Hat er daneben auch in der Türkei eine solche ständige Wohnstätte, kommt es darauf an, in welchem der beiden Länder er den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Häufig ist dies der Staat, in welchem der Ehepartner und die noch zum Haushalt gehörenden Kinder leben. Bei alleinstehenden Kontoinhabern ist es meist der Staat, in welchem dieser arbeitet und sich vorwiegend aufhält.

Wie prüft das Finanzinstitut die Ansässigkeit?

Bei der Neueröffnung von Bankkonten muss die Bank eine Selbstauskunft desjenigen verlangen, welcher das Konto eröffnen möchte. Sie muss dann die Plausibilität der Angaben anhand der ihr vorliegenden Informationen prüfen und dabei u.a. auch den im Personalausweis oder Pass eingetragenen Wohnsitz berücksichtigen.

Bei bestehenden Konten kann sich das Finanzinstitut an der in den Bankunterlagen erfassten Anschrift des Kontoinhabers orientieren. Es kann aber auch weitere Unterlagen prüfen wie etwa hinterlegte Telefonnummern aus dem anderen Staat oder Daueraufträge über Zahlungseingänge aus diesem Staat wie Lohn- oder Rentenzahlungen.

Bei einem Kontostand von mehr als 1 Million US-Dollar muss die Bank zwingend ihre Unterlagen daraufhin untersuchen, ob Hinweise, auf eine Ansässigkeit im anderen Staat bestehen.

Welche Konten werden gemeldet?

Gemeldet werden alle Arten von Bankkonten, also insbesondere Girokonten, Sparkonten und Terminkonten sowie Depots mit Aktien oder anderen Wertpapieren sowie Beteiligungen an Investmentfonds. Auch bestimmte Versicherungsverträge, wie z.B. kapitalgedeckte Lebensversicherungen werden erfasst.

Gibt es eine Mindestsumme, ab welchem ein Konto gemeldet wird?

Nein, wenn die vorgenannten Vorratssetzungen erfüllt sind, werden alle Konten unabhängig von der Höhe des Kontostandes erfasst.

Wann beginnt der Datenaustausch zwischen Deutschland und der Türkei?

Der Datenaustausch wird voraussichtlich bis spätestens Ende September 2021 erfolgen.

Ursprünglich sollte der automatische Datenaustausch bereits im Jahre 2018 erfolgen. Der Datenaustausch mit der Türkei wurde jedoch zunächst zweimal bis 2020 verschoben. Die Türkei hat sich dann ab 2020 grundsätzlich am Datenaustausch mit anderen Staaten des Abkommens beteiligt. Aus technischen Gründen ist der Datenaustausch mit Deutschland jedoch nicht wie vereinbart zum 31. Dezember 2020 erfolgt. Die Türkei hat nun relativ kurzfristig bekanntgegeben, dass sie ab diesem Jahr am Datenaustausch auch mit Deutschland teilnimmt.

Da die Daten nach dem internationalen Abkommen jeweils bis zum 30. September des Jahres auszutauschen sind, ist zu erwarten, dass dies auch bis zum 30. September 2021 erfolgt. Eine frühere Datenübermittlung ist jedoch nicht auszuschließen. Die deutschen Finanzinstitute haben umgekehrt die Daten von Kontoinhabern mit Ansässigkeit in der Türkei bereits bis zum 31. Oktober 2020 an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet, und zwar mit Stichtag 1. Januar 2019. Es ist damit zu rechnen, dass diese Daten jetzt auch bis zum 30. September 2021 an die türkischen Finanzbehörden übermittelt werden.

Kann der Datenaustausch vermieden werden, wenn jetzt ein betroffenes Konto aufgelöst wird?

Nein, der automatische Datenaustausch betrifft alle entsprechenden Konten, welche am 1. Januar 2019 oder am 1. Januar 2020 bestanden. Wurde ein solches Konto danach beendet, wird es gleichwohl gemeldet.

Werden auch Konten gemeldet, welche erst nach dem 1. Januar 2020 oder in Zukunft eröffnet werden?

Diese Konten werden bei dem jetzigen Datenaustausch noch nicht gemeldet. Allerdings ist der Datenaustausch nicht einmalig, sondern er findet nach dem internationalen Abkommen künftig jährlich zum 30. September eines Jahres statt. Die Daten dieser Konten werden also in einem späteren Datenaustausch erfasst werden.

Das Abkommen sieht vor, dass jeweils zum 30. September die Daten zum 1. Januar des Vorjahres gemeldet werden. Das bedeutet, dass an sich zum 30. September 2021 die Daten zum 1. Januar 2020 gemeldet werden müssten. Bis zu diesem Zeitpunkt wird aber durch die Türkei auch die Meldung der Daten zum 1. Januar 2019 nachgeholt.

Im nächsten Jahr werden dann bis zum 30. September 2022 die Daten zum 1. Januar 2021 übermittelt werden.

Ist damit sicher, dass die deutschen Finanzbehörden von vor dem 1. Januar 2019 aufgelösten Konten nichts erfahren?

Nein, es ist nicht auszuschließen, dass die deutschen Finanzbehörden auch von solchen Konten erfahren können. Zwar werden diese nicht in den Automatischen Datenaustausch einbezogen. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei sieht aber vor, dass die deutschen Finanzbehörden auch Anfragen zu konkreten Kontoverbindungen an die türkischen Finanzbehörden richten können. Wenn z.B. ein zum 1. Januar 2019 noch bestehendes Konto gemeldet wird, können die deutschen Finanzbehörden gezielt nachfragen, ob derselbe Kontoinhaber früher bereits bei dieser Bank weitere Konten hatte.

Welche Daten werden gemeldet?

Gemeldet werden Kontonummer, Name der Bank und des Kontoinhabers, dessen Geburtsdatum und dessen Anschrift. Bei allen Konten wird der Kontosaldo zum Stichtag mitgeteilt. Bei Einlagekonten (z.B. Girokonto, Sparkonto, Termingeldkonto) daneben auch der Gesamtbruttobetrag der im jeweiligen Jahr zugeflossenen Zinsen. Bei Depotkonten werden darüber hinaus auch Dividenden und andere Einkünfte sowie der Gesamtbruttobetrag der Kontozuflüsse aus dem Verkauf oder dem Rückkauf von Finanzvermögen übermittelt, also z.B. Erlöse aus Aktien- oder anderen Wertpapierverkäufen.

Wie verwenden die deutschen Finanzbehörden die Daten?

Die türkischen Finanzbehörden übermitteln die Daten zunächst zentral an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Dieses leitet die Daten an das jeweils für den Kontoinhaber zuständige Finanzamt weiter.

Das Finanzamt vergleicht dann die Daten mit den vorliegenden Steuererklärungen. Es prüft insbesondere, ob Einnahmen aus diesem Bankkonto in der Vergangenheit erklärt wurden und ob die Höhe des gemeldeten Kontosaldos aufgrund der Höhe der in der Vergangenheit erklärten Einnahmen plausibel erscheint. Ist dies nicht der Fall, kann es weitere Maßnahmen ergreifen. Es kann insbesondere den betroffenen Kontoinhaber zu weiteren Auskünften auffordern, z.B. über die Herkunft des Vermögens. Auch kann es nach dem Doppelbesteuerungsabkommen gezielte Anfragen an die türkischen Finanzbehörden veranlassen und so z.B. an die Kontoauszüge gelangen.

Bei Verdacht auf Steuerhinterziehung informiert das Finanzamt die zuständige Straf- und Bußgeldstelle. Diese kann ein Steuerstrafverfahren einleiten und ggf. einen richterlichen Beschluss über eine Hausdurchsuchung beantragen.

Werden auch Daten über andere Einkünfte, z.B. aus Vermietungen, Hausverkäufen oder Renten gemeldet?

Im automatischen Informationsaustausch werden diese nicht unmittelbar gemeldet. Es ist aber möglich, dass das Finanzamt durch die vorgenannten weiteren Maßnahmen, z.B. die Anforderung von Kontoauszügen, hierauf stößt. Hierzu besteht beispielsweise Anlass, wenn der Kontosaldo durch die inländischen Einnahmen nicht erklärbar ist oder sich in einem Jahr deutlich erhöht hat, etwa durch Erträge aus einem Hausverkauf oder eine Erbschaft.

Für wie viele Jahre zurück kann das Finanzamt ermitteln und Steuern nachfordern?

Das Finanzamt kann für alle Jahre ermitteln, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Diese beträgt an sich vier Jahre, bei Steuerhinterziehung jedoch zehn Jahre. In der Praxis tritt die Festsetzungsverjährung regelmäßig noch etwas später ein, weil diese erst im Jahr der Einreichung der Steuererklärung beginnt und auch durch verschiedene Umstände, wie eine Betriebsprüfung, gehemmt sein kann. So geht der Zeitraum bei Steuerhinterziehung oft elf, zwölf oder noch mehr Jahre zurück.

Sind Einkünfte aus der Türkei in Deutschland steuerpflichtig?

Wenn ein Steuerpflichtiger in Deutschland ansässig ist, sind grundsätzlich seine gesamten Einkünfte in Deutschland steuerpflichtig. Bei Einkünften mit Bezug zur Türkei entscheidet das entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen, ob und inwieweit diese in Deutschland steuerpflichtig sind.

So sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (z.B. Zinsen und Dividenden) aus der Türkei bei Ansässigkeit in Deutschland auch hier steuerpflichtig. Die einbehaltene niedrigere türkische Quellensteuer wird angerechnet. Auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und anderen Wertpapieren sind – unter Anrechnung einer in der Türkei gezahlten Steuer – in Deutschland zu versteuern.

Auch Einkünfte aus Renten sind je nach Einzelfall auch in Deutschland zu versteuern.

Einkünfte aus Vermietung von Gebäuden oder Grundstücken in der Türkei sind zwar in Deutschland von der Steuer freigestellt. Sie können aber über den Progressionsvorbehalt den Steuersatz für die in Deutschland zu versteuernden Einkünfte erhöhen; dann wirken sie sich mittelbar auf die in Deutschland zu zahlende Steuer aus. Daher müssen auch solche Einkünfte in den deutschen Einkommensteuererklärungen angegeben werden.

Dasselbe gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien, wenn diese innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung veräußert wurden.

Ist auch eine Erbschaft in der Türkei in Deutschland zu versteuern?

Hat ein Erbe einen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt auch Vermögen aus der Türkei – z.B. ein dort geerbtes Haus oder Grundstück oder ein Aktiendepot – grundsätzlich der Erbschaftsteuer in Deutschland. Da es hier kein Doppelbesteuerungsabkommen gibt, gilt dies auch dann, wenn daneben ein weiterer Wohnsitz in der Türkei besteht und selbst, wenn dieser der Hauptwohnsitz ist. Eine in der Türkei gezahlte Erbschaftsteuer wird allerdings angerechnet.

Hinweise auf eine Erbschaft in der Türkei können sich z.B. ergeben, wenn der gemeldete Kontostand gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen ist.

Können strafrechtliche Folgen drohen?

Wer in der Türkei erzielte steuerpflichtige Einkünfte in seinen Steuererklärungen in Deutschland vorsätzlich nicht angibt, macht sich grundsätzlich der Steuerhinterziehung strafbar. Ob Vorsatz anzunehmen ist, ist im Einzelfall zu beurteilen. Bei Kapitaleinkünften aus ausländischen Bankkonten, z.B. in der Schweiz, haben die Behörden in der Vergangenheit jedoch regelmäßig angenommen, dass den Kontoinhabern die Steuerpflicht in Deutschland bekannt war – und deshalb Vorsatz bejaht.

Was können Betroffene tun, um eine Strafe wegen Steuerhinterziehung zu vermeiden?

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit durch eine Selbstanzeige, d.h. eine rechtzeitige und vollständige Nacherklärung der Einkünfte gegenüber dem Finanzamt Straffreiheit zu erlangen. Dies setzt die Nachzahlung der Steuern zuzüglich Zinsen voraus.

Wenn das Finanzamt die Steuerhinterziehung bereits entdeckt hat, ist keine Selbstanzeige mehr möglich.

Eine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige hängt allerdings noch von einigen weiteren Voraussetzungen ab (z.B. deren Vollständigkeit für zehn Jahre). Ob die Voraussetzungen vorliegen, sollte also im konkreten Fall immer sehr sorgfältig geprüft werden.

Ist es für Selbstanzeigen zu spät, sobald die Daten nach Deutschland übermittelt worden sind?

In der Regel noch nicht. Die Daten werden zunächst an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt und erst von dort zu den zuständigen Finanzämtern weitergeleitet. Erst wenn die Finanzämter bei einem Abgleich mit den Steuererklärungen festgestellt haben, dass die Einkünfte dort nicht versteuert wurden, liegt regelmäßig eine Tatentdeckung vor, welche eine Selbstanzeige ausschließt.

Trotzdem ist Eile geboten, da man nicht vorhersehen kann, wie lange dies im Einzelfall dauert und ob nicht bereits Daten vor dem 30. September 2021 übermittelt werden. Betroffene sollten daher so schnell wie möglich handeln.

Können noch weitere strafrechtliche Risiken bestehen?

Weitere strafrechtliche Risiken können bestehen, wenn das gemeldete Vermögen aus der Türkei auch noch an anderer Stelle verschwiegen wurde, z.B. bei einer Insolvenz oder eidesstattlichen Versicherung, bei der Beantragung von Sozialleistungen oder im Rahmen einer Scheidung. Wer also seine Kontostände auf den automatischen Informationsaustausch hin überprüft, sollte auch diese Aspekte gleich mit einbeziehen.

Der Beitrag ist in einer kürzeren Fassung erschienen auf Private Banking Magazin.

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