Insolvenzverschleppung – was gilt in Corona-Zeiten?

Seit Monaten ist die Bundesregierung mit umfangreichen Maßnahmenpaketen bestrebt, durch die COVID-19-Pandemie in die Krise geratene Unternehmen zu retten. Dazu gehört auch, dass mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz seit März 2020 die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt worden ist. Ohne Antragspflicht droht den Unternehmensverantwortlichen auch keine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung. Doch die Regelung läuft zum 30. April 2021 aus. Spätestens dann müssen sich Geschäftsführer mit den Risiken eines womöglich verspäteten oder nicht richtig gestellten Insolvenzantrags auseinandersetzen. Und ein jüngeres BGH-Urteil macht die Sache noch etwas komplizierter.

Insolvenzverschleppung – was ist strafbar?

Die vorsätzliche und fahrlässige Insolvenzverschleppung ist in § 15a Abs. 4 und Abs. 5 InsO geregelt. Strafbar macht sich danach, wer einen Insolvenzantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig stellt.

Da die Insolvenzverschleppung ein sogenanntes Sonderdelikt ist, das nur bestimmte Personen begehen können, kann tauglicher Täter nur derjenige sein, der nach § 15a InsO verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag stellen. Dies sind insbesondere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder.

Normalerweise entsteht eine Insolvenzantragspflicht, sobald ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise gerät und damit zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Dann ist der Verantwortliche gehalten, „ohne schuldhaftes Zögern“ einen Insolvenzantrag zu stellen.

Während der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber gerade hierzu Ausnahmen geregelt.

Keine Insolvenzverschleppung in Corona-Zeiten – unter bestimmten Voraussetzungen!

Die Insolvenzantragspflicht ist derzeit dann ausgesetzt, wenn die Gründe für die Insolvenzreife pandemiebedingt sind und eine Aussicht darauf besteht, das Unternehmen unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder auf andere Weise zu sanieren (vgl. Blogbeitrag vom 11. August 2020).

Ursprünglich galt die Ausnahme von der Insolvenzantragspflicht für alle Krisenunternehmen bis Ende September 2020. Sie wurde dann kurz vor der zweiten Corona-Welle verlängert zunächst bis Ende März 2021. Nun wurde die Aussetzung bis zum 30. April 2021 verlängert, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: : Nur noch überschuldete Unternehmen können sich auf die Regelung berufen. Unternehmen, die seit September zahlungsunfähig sind, sind wieder verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist außerdem, dass das betreffende Unternehmen im Zeitraum 1. November 2020 bis 28. Februar 2021 einen Antrag auf Hilfsgelder gestellt hat (vgl. Blogbeitrag vom 29. Januar 2021). Nach dem Wirtschaftsgipfel vom 16. Februar 2021 sollen nun die Hilfen fließen und den Unternehmen die notwendige Liquidität zur Verfügung gestellt werden.

BGH-Urteil macht die Sache komplizierter

Ob die Auszahlung von Hilfen an die Unternehmen auch die Insolvenzreife beseitigt, ist allerdings nicht in allen Fällen ausgemacht. Denn ein Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Lage für die Unternehmenslenker inzwischen weiter verschärft.

Der 5. Strafsenat des BGH hat in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 2020 (5 StR 618/19) bei der Frage nach der Zahlungsunfähigkeit einen neuen Weg eingeschlagen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf- und Zivilsenate des BGH hält er es nicht mehr für notwendig, dass Zahlungen, die das Unternehmen zu leisten hat, auch tatsächlich eingefordert worden sind. In dem Urteil heißt es:

„Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Wird […] ein befristetes Darlehen durch Zeitablauf fällig, ist die Tilgungsverpflichtung des Schuldners bei der Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn der Darlehensgeber ihn nicht im Sinne eines Einforderns konkret zur Rückzahlung aufgefordert hat […].

Ungeachtet dessen dient das Merkmal des „ernstlichen Einforderns“ nach der Rechtsprechung ohnehin allein dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind […]. Der Senat neigt daher der Auffassung zu, wonach die Fälligkeit von Forderungen im insolvenzrechtlichen Sinn nicht voraussetzt, dass die geschuldete Leistung „ernsthaft eingefordert“ wird.

Was bedeutet diese Entscheidung für die Unternehmensführer in der Pandemie? Sie müssen weiterhin peinlich genau die Liquiditätsbilanz des Betriebes im Blick behalten. Dabei müssen sie nun auch Forderungen gegenüber dem Unternehmen berücksichtigen, die zwar fällig sind, aber noch nicht ernstlich eingefordert wurden. Ganz praktisch heißt das zum Beispiel: Wer großzügig Waren eingekauft hat, die er an sich zahlen müsste, und es nur deshalb nicht auffällt, dass die nötigen Mittel fehlen, weil der Lieferant die Zahlung noch nicht ernsthaft eingefordert hat, gilt als zahlungsunfähig – und muss Insolvenzantrag stellen.

Ausweg Stundungsvereinbarung

Gibt es eine Möglichkeit, dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung zu entgehen? Ja, denn Stundungsvereinbarungen können die Fälligkeit zunächst beseitigen. Um dies belegen zu können, ist es ratsam, Stundungsvereinbarungen schriftlich zu vereinbaren. Sind Stundungen bislang nur mündlich oder stillschweigend gewährt worden, sollten diese schnell„beweisfest“ gemacht werden, bevor sich die Lage gegebenenfalls weiter verschlechtert oder die Gläubiger es sich anders überlegen.

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