Insolvenzantragsreparaturgesetz? – Warum die Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht Chaos erzeugt
Der Bundestag hat gestern die Verlängerung der Aussetzung von Insolvenzantragspflichten in bestimmten Fällen beschlossen. Einfacher ist allerdings dadurch die Beurteilung der Frage, ob für den eigenen Betrieb tatsächlich die Aussetzung der Antragspflicht gilt, nicht geworden.
Ohnehin sieht sich der Unternehmer einer kaum noch überschaubaren Flut an staatlichen Hilfeleistungen gegenüber (November- und Dezemberhilfe, November- und Dezemberhilfe extra, November- und Dezemberhilfe Plus, Überbrückungshilfe III). Die Kenntnis der Mechanik dieser Hilfen – und deren Inanspruchnahme – ist aber konstitutiv dafür, dass die Aussetzung von der Insolvenzantragspflicht rechtmäßig in Anspruch genommen werden kann.
Voraussetzung: rechtzeitige Beantragung von Corona-Hilfen
Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass eine Aussetzung nur für solche Unternehmen infrage kommt, die staatliche Hilfeleistungen aus den zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie aufgelegten Hilfsprogramm erwarten können. Voraussetzung ist also, dass die Anträge rechtzeitig gestellt werden, also bis spätestens zum 28.2.2021, beginnend mit dem 1.11.2020. Damit es den potentiell Aussetzungsberechtigten einfach gemacht wird (Ironie!), soll es für diejenigen, die den Antrag nicht stellen konnten, unter bestimmten Umständen legal möglich sein, auszusetzen. Dazu ist erforderlich, dass sie erst einmal nach den Bedingungen des jeweiligen Programms zu den Antragsberechtigen desselben gehören.
Weiter ist Voraussetzung, dass sie im oben genannten Zeitraum aus bestimmten Gründen noch kein Antrag stellen konnten. Hierzu nennt die Gesetzesbegründung rechtliche, insbesondere beihilferechtliche, aber auch tatsächliche Gründe. Etwas verschämt wird in der Begründung zu den tatsächlichen Gründen hervorgehoben auf „IT-technische Gründe“ verwiesen. Ein gewisses Eingeständnis, dass die Umsetzung der Hilfsprogramme im tatsächlichen Bereich schlicht mangelhaft war und ist.
Betont wird, dass diejenigen Fälle, in den offensichtlich keine Aussicht auf Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nicht an der Insolvenzreife ändern könnte, die Hilfe des Gesetzes nicht in Anspruch nehmen können.
Da man offensichtlich nicht damit rechnet, dass die Verabschiedung des Gesetzes noch vor dem angestrebten Termin am 1.2.2021 erfolgt, wird dem Gesetz rückwirkende Kraft zugeschrieben. Bezogen auf das Strafrecht bedeutet dies, dass es im Zeitraum zwischen 31.1.2021 und dem tatsächlichen Inkrafttreten nicht zur Strafbarkeit kommen kann, wenn in diesem Zeitpunkt eigentlich fällige Insolvenz-Antragstellungen nicht durchgeführt werden.
Gesetz wird zu Chaos führen
Das Gesetz wird unvermeidlich zum Chaos führen: Gläubiger können nach wie vor einen Insolvenzantrag stellen. Unternehmer können sich also nicht in Sicherheit wiegen, wenn sie mit ihren Kunden und Lieferanten im finanziellen Clinch liegen. Die genannten Voraussetzungen sind derart diffus, dass sie später zu heftigen Problemen nicht nur im Insolvenzverfahren, sondern auch in Strafverfahren führen können.
Wie soll im Nachhinein festgestellt werden, ob „IT-technische Probleme“ vorgelegen haben oder andere Hindernisse für die Antragstellung? Muss der Unternehmer ständig und revolvierend prüfen, ob eine Auszahlung der Hilfe die Insolvenzreife beseitigt, was zum Teil ja auch vom Zeitpunkt der Zahlung der Hilfe abhängen kann? (zum Zahlungsverbot in der Krise vergleiche Update Insolvenzstrafrecht: Zahlungsverbot in der Krise neu gefasst).
Für jeden, der die neuen Vorschriften (und auch deren Vorgänger) in Anspruch nehmen will, ist Dokumentation das Gebot der Stunde. Man sollte peinlich genau niederlegen, welche Gründe beispielsweise die Antragstellung verhindert haben oder was verspätete Auszahlungen wirtschaftlich bewirkt haben.
Auch wenn das von einem Rechtsanwalt pro domo klingt – ohne präventive Beratung bereitet die neue Vorschrift ein Minenfeld, in dem man ohne Schutz nicht unterwegs sein sollte.