Verbandsgeldsanktion: Auf welchen Umsatz kommt es an?

Der Gesetzentwurf zum Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E) sieht vor, Unternehmen bei unternehmensbezogenen Rechtsverstößen mit im Zweifel empfindlichen Geldsanktionen zu belegen. Woran aber bemisst sich die Verbandsgeldsanktion? Und wie funktioniert die geplante umsatzbezogene Berechnung? 

Der Gesetzentwurf zum Verbandssanktionengesetz sieht als Sanktionen zum einen die Verbandsgeldsanktion und zum anderen die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt – vergleichbar einer „Geldstrafe auf Bewährung“ – vor (§ 8 VerSanG-E). Der Sanktionsrahmen der geplanten Verbandsgeldsanktion soll

  • bei vorsätzlichen Straftaten zwischen 1.000 Euro und 10 Mio. Euro,
  • bei fahrlässigen Straftaten zwischen 500 Euro und 5 Mio. Euro liegen (§ 9 Abs. 1 VerSanG-E).

Die vorgesehene Verbandsgeldsanktion ist damit prinzipiell der Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG nachgebildet.

Anknüpfungspunkt Konzernjahresumsatz

Abweichend von dieser Grundregelung sieht der Referentenentwurf für Verbände mit einem durchschnittlichen Konzernjahresumsatz von mehr als 100 Mio. Euro einen umsatzbezogenen Sanktionsrahmen vor, jedenfalls sofern der Verband einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreibt. Die Unter- und Obergrenze für Verbandsgeldsanktionen soll

  • bei vorsätzlichen Straftaten mind. 10.000 Euro bis max. 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes sowie
  • bei fahrlässigen Straftaten mind. 5.000 Euro bis max. 5 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes

betragen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 VerSanG-E).

Bei Großunternehmen und multinationalen Großkonzernen knüpft die Verbandsgeldsanktion somit (wie schon das Kartell- und Datenschutzrecht) an ihre Leistungsfähigkeit an.

Verbände, die vorrangig gemeinnützige Zwecke verfolgen, sind von den Verbandsgeldsanktionen dagegen nicht betroffen; sie unterliegen aber weiterhin § 30 OWiG.

Berechnung des durchschnittlichen Jahresumsatzes

Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatzes soll nach den Plänen des Gesetzgebers der „weltweite Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände der letzten drei Geschäftsjahre, die der Verurteilung vorausgehen, zugrunde zu legen [sein], soweit diese Personen und Verbände mit dem Verband als wirtschaftliche Einheit operieren“ (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerSanG-E). Diese Vorschrift orientiert sich an § 81 Abs. 4 Satz 3 GWB. Maßgeblich ist entsprechend dieser Regelung also

  • der weltweit erzielte Umsatz (nicht Gewinn) (1)
  • aller natürlichen Personen und Verbände, soweit sie mit dem sanktionierten Verband als wirtschaftliche Einheit operieren, d.h. der konzernweit erzielte Gesamtumsatz (2),
  • der letzten drei Geschäftsjahre (nicht unbedingt gleichzusetzen mit Kalenderjahren), die der Verurteilung (nicht der Begehung der Verbandstat) vorausgegangen sind (3).

Als „wirtschaftliche Einheit“ werden hierbei alle konzernangehörigen Unternehmen verstanden, die mit dem von der Sanktion betroffenen Verband in einem Konzernverbund unter einheitlicher Leitung stehen (vgl. BGH, NJW 2013, 1972 (1974)). Diese Bezugsgröße soll u.a. sicherstellen, dass keine der Vermeidung von Sanktionen motivierten Vermögensverschiebungen innerhalb eines Konzerns erfolgen.

Beispiel:

Eine konzernangehörige GmbH soll zu einer Sanktion verurteilt werden. Während die GmbH lediglich einen Jahresumsatz von 5 Mio. Euro erzielt, erwirtschaftete der Mutterkonzern in den letzten drei Jahren durchschnittlich einen Umsatz von 450 Mio. Euro, also über 100 Mio. Euro (damit ist der umsatzbezogene Sanktionsrahmen gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 VerSanG-E eröffnet).

Für die Bemessung der Verbandsgeldsanktion ist nicht der Umsatz der GmbH (in Höhe von 5 Mio. Euro), sondern der weltweit erzielte Gesamtumsatz des Mutterkonzerns maßgeblich und zwar bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre.

Hat der Konzern etwa in den letzten drei Geschäftsjahren weltweit einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 450 Mio. Euro erzielt, liegt der Maximalstrafrahmen für die GmbH – ungeachtet ihres durchschnittlichen Jahresumsatzes von lediglich 5 Mio. Euro p.a. – bei 10 % von 450 Mio. Euro, d.h. bei 45 Mio. Euro.

Das Beispiel verdeutlicht: Der Sanktionsrahmen wird sich insbesondere für konzernangehörige Verbände großer Unternehmen mit Einführung des Verbandssanktionengesetzes drastisch verschärfen.

Wichtig: Maßgeblich soll der durchschnittliche Jahresumsatz zum Zeitpunkt der Verurteilung sein – nicht der Umsatz im Zeitpunkt der Tat. Dies kann bei Anteilszukäufen des Unternehmens bzw. des Konzerns im Zeitraum nach Begehung der Verbandstat erheblichen Einfluss auf den Sanktionsrahmen haben.

Auskunftspflicht des Verbandes

Für die Feststellung der Höhe des Jahresumsatzes führt § 49 VerSanG-E eine Auskunftspflicht des Verbandes ein. Falls nach Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnismöglichkeiten (z.B. Jahresabschluss, Bilanz) der maßgebliche Jahresumsatz nicht sicher feststeht, sieht § 9 Abs. 2 Satz 3 VerSanG-E die Möglichkeit der Schätzung vor. Dies kann vor allem für Verbände relevant sein, die nicht der Publizitätspflicht unterliegen.

Keine Vermögensabschöpfung

Anders als bisher soll die Verbandsgeldsanktion nicht zugleich auch das aus der Verbandstat erlangte Vermögen abschöpfen. Die Vermögensabschöpfung soll vielmehr gesondert nach den Einziehungsvorschriften gemäß §§ 73 ff. StGB erfolgen.

Kriterien für die Sanktionsbemessung

Grundlage für die Bemessung der Verbandsgeldsanktion sind insbesondere die Bedeutung der Verbandstat, Schwere und Ausmaß von Aufsichtspflichtverletzungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbands (§ 15 Abs. 1 und 2 VerSanG-E). Bei umsatzbezogenen Verbandsgeldsanktionen darf der Konzernumsatz bei der Bemessung der Sanktion hingegen keine Berücksichtigung finden (§ 15 Abs. 2 Satz 2 VerSanG-E).

Weitere Zumessungsfaktoren sind insbesondere der Vorwurf, die Beweggründe und Ziele des Täters, Gewicht, Auswirkungen, Folgen, Ausmaß und Dauer der Verbandstat, die Anzahl der Täter und deren Position im Unternehmen, Vortaten und Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten, das Bemühen, die Verbandstat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen sowie nach der Verbandstat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Verbandstaten (§ 15 Abs. 3 VerSanG-E).

Kooperiert ein Verband umfassend und führt interne Untersuchungen durch, kann er nach § 17 VerSanG-E mit einer weiteren Milderung der Sanktion rechnen.

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