Akteneinsicht in der Betriebs-/Außenprüfung (Finanzgericht Düsseldorf vom 09.02.2022, 4 K 641/20 AO)

Steuerliche Außenprüfungen können für Steuerpflichtige lästig und zuweilen auch undurchsichtig werden. Das Finanzamt nimmt alles und vieles unter die Lupe. Was sich die Prüfer genau anschauen, bleibt oft im Dunkeln. Das Finanzgericht Düsseldorf weist in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung darauf hin, dass Steuerpflichtige nicht völlig machtlos sind: Soweit ein Finanzamt personenbezogene Daten verarbeitet, kann ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO bestehen.

Art. 15 Abs. 1 DSGVO soll Betroffenen ermöglichen, zu erfahren, welche sie betreffenden Daten erhoben und verarbeitet wurden. Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Zur Verarbeitung gehört nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang. Betroffene sollen dadurch die Rechtmäßigkeit der Erhebung und Verarbeitung von Daten überprüfen können (63. Erwägungsgrund zur DSGVO). Das gilt – mit Einschränkungen – auch im Steuerverwaltungsverfahren. Die §§ 29b ff. und 32a ff. AO regeln das Verhältnis zwischen Datenschutz und Steuerverwaltungsverfahren.

Das Finanzgericht Düsseldorf stellt jetzt hierzu klar: Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO greift auch, wenn die (vom Finanzamt) verarbeiteten Daten vom Steuerpflichtigen selbst stammen. Im Fall ging es um die Abfrage von maschinell lesbaren Umsatzerlösen, die der Steuerpflichtige seinerseits zuvor zur Verfügung gestellt hatte. Auch in solchen Fällen greift der Schutzzweck der Datenschutzgrundverordnung. Dabei erkennt das Finanzgericht, dass das Finanzamt die Datenauskunft in der Regel nicht mit dem Argument verweigern kann, dadurch gerate die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden liegenden Aufgaben in Gefahr (vgl. dazu § 32a Abs. 2 AO). Kopien von erhobenen Daten muss ein Finanzamt ohne weiteres zur Verfügung stellen können.

Zugleich betont das Gericht: Die Datenschutzgrundverordnung schaffe keinen allgemeinen Zugang zu Verwaltungsdokumenten jeder Art. Das Gericht bezieht sich hier auf den EuGH und das Bundesverwaltungsgericht (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – C-141/12 und C-372/12, Rn. 39 f., 46; BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10/19, HFR 2021, 419). In einer früheren Entscheidung hatte das FG Düsseldorf bereits darauf hingewiesen, dass deshalb auch kein Anspruch auf Einsicht in sämtliche Dokumente und Aktenvermerke einer Betriebsprüfungsakte bestehe (FG Düsseldorf, Urteil vom 10. August 2022 – 4 K 879/21 AO). Eine Betriebsprüfungsakte enthalte eine Vielzahl von Vorarbeiten und Bewertungen des Prüfers, wie z.B. rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe und Berechnungen sowie Ermittlungsergebnisse. Dabei handele es sich nicht um personenbezogene Daten.

Im Steuerverwaltungsverfahren besteht demnach regelmäßig kein allgemeines, umfassendes Akteneinsichtsrecht – auch nicht auf der Grundlage der DSGVO. In der steuerlichen Außenprüfung sind die Rechte von Steuerpflichtigen auf Akteneinsicht entsprechend begrenzt. Für Steuerpflichtige ist das oft nicht nachvollziehbar. Gerade in Außenprüfungen sehen sich Steuerpflichtige nicht selten mit Vorhalten und Vorwürfen konfrontiert, ohne dass offengelegt wird, auf welchen Einwertungen die Vorwürfe ruhen und welche Informationen ihnen konkret zugrunde liegen. Dabei zeigt die Praxis: Informationsdefizite werden von Prüfern nicht selten (auch) strategisch eingesetzt. So wird in einem ohnehin prozessual wenig auf die Rechte des Steuerpflichtigen Rücksicht nehmenden Verfahren das Ungleichgewicht zulasten des Steuerpflichtigen noch weiter vertieft.

Die DSGVO schafft hier zumindest etwas Luft, wenn es um personenbezogene Daten geht. Damit stärkt sie – richtig angewandt – die Rechte von Steuerpflichtigen. In der Praxis bietet es sich an, einen Auskunftsantrag elektronisch zustellen. In diesem Fall hat die Behörde die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, vgl. Art. 15 Abs. 3 S. 3 DSGVO. Ob DSGVO-Auskunftsansprüche bestehen und geltend gemacht werden sollten, ist allerdings eine Frage des Einzelfalls und muss sorgfältig abgewogen werden. Falsch moderiert, kann damit eine ungewollte Eskalation im ohnehin diffizilen (Kommunikations-)Prozess der Außenprüfung verbunden sein. Das gilt umso mehr, wenn eine Außenprüfung bereits durch die Einleitung eines entsprechenden Steuerstrafverfahrens belastet ist.

Abzuwarten bleibt, wie sich der Bundesfinanzhof (BFH) gegenüber der Linie des Finanzgerichts Düsseldorf positionieren wird. Die Rechtsauffassung, Verwaltungsunterlagen und sonstige Nebenprodukte einer Steuer- und/oder Betriebsprüferakte seien vom Auskunftsrecht des Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht umfasst, ist auch unter den Finanzgerichten nicht unumstritten. So vertritt das Finanzgericht des Saarlandes in einem Kostenbeschluss die Auffassung, dass aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht folge, Beschluss vom 3. April 2019 – 2 K 1002/16. Der Anspruch erstrecke sich auch auf die Papierakten als Dateisystem im Sinne von Art. 4 Nr. 6 DSGVO. Höchstrichterlich ist die Frage durch den BFH noch nicht entschieden worden. Dazu sind gleich mehrere Revisionen – gebündelt beim 9. Senat – anhängig (IX R 25/23; II R 35/22; IX R 19/22; IX R 20/22; IX R 21/22; IX R 22/22; IX R 24/22; IX R 25/22; IX R 26/22; IX R 34/21).

Solange bleibt festzuhalten: Richtiges Licht ins Dunkel einer Außenprüfung bringt derzeit in der Regel erst das Einspruchsverfahren. Erst hier, auf dieser Verfahrensebene, entsteht ein allgemein anerkannter Anspruch des Steuerpflichtigen, dass ihm die „Unterlagen der Besteuerung“ offengelegt werden (§ 364 AO). Das umfasst neben Beweismitteln auch den Inhalt von Kontrollmaterial. Im (anschließenden) finanzgerichtlichen Verfahren gilt § 78 FGO. Will ein Steuerpflichtiger von diesen Rechten Gebrauch machen, muss er zunächst den in Folge der Außenprüfung abgeänderten Steuerbescheid mit dem Rechtsmittel des Einspruchs angreifen.

Unabhängig davon geben sowohl das FG Düsseldorf als auch das FG Saarland rechtliches Argumentationsmaterial im Dialog mit dem Betriebsprüfer an die Hand. Ist bereits ein auf die Steuerprüfung bezogenes Steuerstrafverfahren eingeleitet, ist über die Akteneinsicht im Strafverfahren die Steuerakte zugänglich (zu machen) gem. §§ 385, 399 AO i.V.m. § 147 StPO.

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