Straftat per Mausklick – Ist das Klicken des „Like“-Buttons strafbar?

Laut einer Studie der Kreativ-Agentur „we are social“ nutzen etwa 86,5 % der Deutschen eine oder mehrere Social-Media-Plattformen. Der „Like“ ist dabei die gängigste und einfachste Art der Kommunikation. Sei es der Beitrag eines Kollegen auf LinkedIn, das Foto einer Freundin auf Instagram oder der Kommentar auf Facebook eines alten Schulfreundes, so gut wie jeder der etwa 72,6 Mio. deutschen Social-Media-Nutzer hat schonmal etwas „gelikt“. Mehr als einen „Mausklick“ bedarf es dazu schließlich nicht.

Was passiert jedoch, wenn der „gelikte“ Beitrag strafwürdige Inhalte enthält? Das Landgericht Meiningen ging nun in einem Beschluss vom 05.08.2022 (Az. 6 Qs 146/22) auf die Frage ein, unter welchen Voraussetzungen das Klicken des Like-Buttons strafbar sein kann.

Dein, mein oder unser Beitrag?

Soziale Netzwerke werden immer wieder zur Verbreitung strafbarer Inhalte missbraucht. Für einen Beitrag auf einer Social Media Plattform gelten dabei im Wesentlichen die gleichen strafrechtlichen Regeln wie für mündliche oder schriftliche Äußerungen. So kann sich der Verfasser eines Beitrags etwa wegen einer Beleidigung (§ 185 StGB), wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB) strafbar machen – das Strafrecht macht insoweit keinen Unterschied, ob die strafbare Äußerung als Posting im Internet oder lautstark auf dem Marktplatz skandiert wird.

Erhält der Hetzer oder Beleidiger daraufhin sogar noch Applaus, stellt sich die Frage, ob sich auch die Applaudierenden strafbar machen. Das hängt davon ab, ob sie damit selbst die strafbare Äußerung tätigen, denn die bloße Zustimmung zu einer fremden Äußerung kann allenfalls in Ausnahmefällen als Beihilfe strafbar sein.

Eine Strafbarkeit setzt insoweit voraus, dass sich der Täter die fremde Äußerung „zu-eigen-macht“ (BGH, Urteil v. 17.11.2009, Az. VI ZR 226/08). Verkürzt kann man dies als ein Verhalten beschreiben, mit der eine Person signalisiert, dass das Gesagte bzw. Geschriebene nun auch als „seine“ Äußerung verstanden werden soll. Ob sich der Unterstützer in diesem Sinne mit der fremden Äußerung identifiziert, ist eine Frage des Einzelfalls und sollte im Interesse der Meinungsfreiheit eher zurückhaltend geprüft werden.

Ob das „Liken“ eines Social Media Beitrags ein solches „Zueigenmachen“ ist, ist eine schwierige Frage und auch unter Juristen umstritten. Ein „Like“ kann dabei allenfalls auf den ersten Blick mit der mündlichen oder gestischen Bekundung von Zustimmung verglichen werden – auf den zweiten Blick, wird aber klar, dass das „Like“ einen eigenen Charakter hat. So ist ein „Like“ dauerhafter als ein physisches „Daumen hoch“ und „klebt“ zudem an dem unterstützten Beitrag. Gleichzeitig ist der Aufwand des „Klicks“ geringer und die Hemmschwelle niedriger als bei der verbalen Bekundung von Zustimmung – ein „Like“ wird darum oftmals ohne großes Nachdenken erteilt.

Die Entscheidung des LG Meiningen

Das LG Meiningen hat sich nun in seinem Beschluss mit der Strafbarkeit des „Likens“ befasst und diese Frage im Ergebnis bejaht.

Der Beschuldigte hatte in dem entschiedenen Fall einen Facebook-Beitrag von „Arminius Hetzer Hermann“ “geliked“. In dem Beitrag wurde auf eine Gedenkstunde für zwei ermordete Polizisten wie folgt reagiert: „Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen“. In Rede stand, dass sich der Beschuldigte durch das Klicken des Like-Buttons der Belohnung bzw. Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) sowie des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) verdächtig gemacht habe.

Das Gericht erklärt in seinem Beschluss zunächst, dass die Bezeichnung der ermordeten Polizisten als bloße „Kreaturen“ zweifelsfrei den Tatbestand des § 189 StGB erfülle. Das Landgericht erklärte weiter, dass ein „Like“ als „regelrechtes Sinnbild der Befürwortung“ mit der verbalen Kundgabe von Zustimmung gleichzusetzen sei. Durch das Klicken des Like-Buttons, habe der Beschuldigte bewusst öffentlich und eindeutig bekundet, dass er die Äußerung befürworte. Hierin sei das erforderliche „Zueigenmachen“ zu sehen.

Bewertung

Die Entscheidung des LG Meinungen ist streng und könnte bei konsequenter Anwendung zu einer Welle an Ermittlungsverfahren führen. Ob sie auch in der Sache korrekt ist, muss durchaus in Frage gestellt werden.

Das Gericht nimmt etwa keine Differenzierung zwischen den einzelnen Kommunikationsmitteln von Facebook vor, sondern setzt das „Liken“ und das Kommentieren eines Beitrags gleich und bezieht die Möglichkeit des „Repostings“ überhaupt nicht in seine Würdigung mit ein. Eine Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten wäre aber gerade erforderlich gewesen, um das „Like“ in seiner Bedeutung korrekt zu erfassen. Es soll mit dieser Reaktion nämlich keine eigenständige Aussage getroffen werden, die über die Solidarisierung mit der Äußerung einer fremden Person hinausgeht. Gerade wenn man das „Liken“ mit dem „Repost“ eines Beitrags vergleicht, hat das Klicken des „Like“-Buttons keine herausgehobene Bedeutung. Vielmehr liegt es nahe, ausschließlich das „Reposten“ eines Beitrags als „Zueigenmachen“ zu qualifizieren, nicht zuletzt da der Nutzer den Beitrag damit repliziert und das Replikat als eigenen Beitrag mit seinem Facebook-Freundeskreis teilt.

Die vom Gericht vorgenommene Gleichsetzung des „Likes“ mit dem physischen „Daumen hoch“ und dem verbalen „Ich stimme dem zu“ lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob sich das Gericht bewusst war, dass das „Like“ im Kontext der „Internetkommunikation“ einen eigenen Charakter hat. Gerade die Abhängigkeit des „Likes“ von dem Beitrag und die Tatsache, dass diese Reaktion oftmals ohne Auseinandersetzung mit dem Beitrag in der Sache – mitunter nahezu automatisch – ergeht, hätte von dem Gericht in die Abwägung einbezogen werden müssen.

All dies lässt einen daran zweifeln, ob das Gericht bei seiner Entscheidung tatsächlich die durch die Meinungsfreiheit gebotene Zurückhaltung hat walten lassen oder es sich bei seiner Deutung des „Likes“ zu einfach gemacht und dabei die durch die Meinungsfreiheit gezogenen Grenzen überschritten hat.

Fazit

Die Entscheidung des LG Meiningen lässt den Schluss zu, dass die Hemmschwelle von Landgerichten, eine Straftat im Internet anzunehmen, gesunken ist. Dies kann unter dem Gesichtspunkt der effektiven Bekämpfung von Hassreden in den sozialen Medien durchaus positiv gesehen werden. Gleichzeitig gibt die Entscheidung aber Grund zur Annahme, dass Gerichte dabei möglicherweise über das Ziel hinausschießen könnten und die Grenzen übersehen, die die Meinungsfreiheit setzt. Die Entscheidung des LG Meiningen demonstriert, dass nicht nur die rechtlichen Leitlinien bekannt sein müssen. Vielmehr muss auch ein Verständnis der kommunikativen Realität im Internet bestehen, um die „Äußerungsdelikte“ in die digitale Welt zu übertragen. Dass die Generation der „Digital Natives“ langsam in der Justiz und der Strafverteidigung ankommt, ist insofern eine positive Entwicklung.

In der Entscheidung des LG Meiningen bleibt es indes spannend. Der Rechtsanwalt des Beschuldigten plant eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen, um die Vereinbarkeit der Entscheidung des LG Meiningen mit der Meinungsfreiheit prüfen zu lassen.

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