Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Kampf gegen Hass im Netz: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz 2021

Um Hasskriminalität, „Fake News“ und andere strafbare Inhalte auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen, wurden 2021 zwei Gesetzesvorhaben umgesetzt: das Gesetzespaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Was Anbieter sozialer Netzwerke aus strafrechtlicher Sicht nun beachten müssen, schildert dieser Beitrag.

Was regelt das NetzDG?

Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) soll dazu dienen, Hasskriminalität, Falschnachrichten („Fake News“) und andere strafbare Inhalte in den sozialen Netzwerken wirksamer zu bekämpfen. Dazu regelt es verschiedene Compliance-Vorschriften für die Anbieter sozialer Netzwerke. Zum Beispiel müssen diese wirksame Beschwerdeverfahren einführen und halbjährlich über den Umgang mit Verstößen Bericht erstatten.

Im Jahr 2021 wurden außerdem zwei Gesetzesvorhaben umgesetzt, die einige Straftatbestände im Bereich Hasskriminalität verschärft und einige Vorgaben an Anbieter sozialer Netzwerke im Netzwerkdurchsetzungsgesetz erweitert haben: Das Gesetzespaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (Hasskriminalitätsgesetz und Reparaturgesetz) und das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (Änderungsgesetz).

Welche Inhalte im Netz sind strafbar?

Grundsätzlich gilt in Deutschland die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz), die es jedem erlaubt, seine Meinung auf die gewünschte Art und Weise – also auch online – kundzutun. Ihre Grenze findet die Meinungsfreiheit in den Grundrechten anderer, insbesondere der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht. Letztere sichert das Strafrecht ab. Das Gesetz gegen Hasskriminalität hat hier zu deutlichen Verschärfungen geführt, die insbesondere Äußerungen in sozialen Netzwerken im Blick haben.

Die wichtigsten Straftatbestände im Bereich sozialer Medien sind folgende:

Volksverhetzung § 130 StGB

Unter Volksverhetzung fallen alle Aussagen, die zum Hass gegen bestimmte Gruppen oder Teile der Bevölkerung, etwa wegen ihrer Religion oder Volkszugehörigkeit, aufstacheln. Dies muss in einer Weise geschehen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Unter „Hass“ versteht man im Strafrecht „eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil“. Wer zum Beispiel im Netz Asylbewerber herabsetzt, um damit Fremdenhass zu schüren, kann sich wegen Volksverhetzung strafbar machen.

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Zu den verfassungswidrigen Kennzeichen gehören insbesondere nationalsozialistische Symbole und Parolen wie das Hakenkreuz oder der „Hitlergruß“. Wird ein solches Kennzeichen in der Lehre (z. B. im Geschichtsunterricht) oder im Rahmen der Kunst (z. B. politische Karikaturen, Dokumentarfilme) verwendet, ist das Verhalten straflos.

Beleidigung, § 185 StGB

Beleidigungen sind missachtende Äußerungen über eine Person, die dadurch herabgesetzt oder als minderwertig dargestellt wird. Ob eine einzelne Äußerung beleidigend ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Formalbeleidigungen wie „Idiot“ und „Arschloch“ sowie Schmähkritik – die offensichtliche Herabwürdigung ohne inhaltlichen Diskurs – stellen immer eine Beleidigung dar. Sie werden mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft.

Mit dem Gesetzespaket gegen Hasskriminalität wurde die Strafbarkeit von Beleidigungen bei öffentlicher Verbreitung über das Internet verschärft. Seit dem 3. April 2021 beträgt die Höchststrafe zwei Jahre.

Bedrohung, § 241 StGB

Strafbar macht sich auch, wer einen anderen Menschen mit einem gegen ihn oder einer ihm nahestehenden Person gerichteten Verbrechen bedroht oder vortäuscht, ein solches Verbrechen stehe bevor. Die Höchststrafe für eine solche Bedrohung beträgt seit dem 3. April 2021 zwei Jahre Freiheitsstrafe, bei einer Bedrohung über das Internet sogar bis zu drei Jahre.

Als „Verbrechen“ gelten schwere Straftaten, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden. Dazu zählen etwa Mord, Totschlag oder Raub.

Seit April 2021 sind auch Drohungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert erfasst. Hier droht bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe, bis zu zwei Jahre, wenn die Bedrohung über das Internet erfolgt.

Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, § 126 StGB

Neben der Bedrohung ist auch die Androhung von Straftaten strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dadurch soll die Beunruhigung der Bevölkerung durch die Androhung bestimmter Straftaten verhindert werden. Erfasst sind insbesondere auch Androhungen von Straftaten in sozialen Netzwerken – wie man sie etwa aus Kommentarspalten kennt.

Das Gesetz gegen Hasskriminalität hat den Katalog der Straftaten, deren Androhung zur Strafbarkeit nach § 126 StGB führen kann, um bestimmte Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die gefährliche Körperverletzung ergänzt.

Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 StGB

Strafbar sind auch die Belohnung und Billigung bestimmter Straftaten. Früher war es nur strafbar, eine der in § 140 StGB aufgezählten Straftaten zu billigen, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden sind. Seit 2021 reicht es aus, wenn jemand eine bloß zukünftige rechtswidrige Tat billigt. Die Billigung kann schon dadurch erfolgen, dass ein Nutzer sozialer Medien die künftige Tat gutheißt, indem er etwa seine Zustimmung äußert.

Welche Vorgaben macht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz den Anbietern sozialer Netzwerke?

Strafbare Posts bzw. Veröffentlichungen im Internet haben aufgrund ihrer hohen Reichweite eine große Einschüchterungswirkung. Sie gefährden die Meinungs- und Handlungsfreiheit des Einzelnen ebenso wie den demokratischen Diskurs und damit die Grundlagen unserer Demokratie insgesamt. Netzwerke müssen daher sowohl akut reagieren und strafbare Posts entfernen als auch schon im Vorfeld Compliance-Pflichten erfüllen.

Einrichtung wirksamer Beschwerdeverfahren

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke, wirksame und transparente Beschwerdeverfahren einzurichten (§ 3 NetzDG). Nutzern muss es möglich sein, potenziell strafbare Inhalte über ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares, leicht bedienbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden zu melden (§ 3 Abs. 1 S. 2 NetzDG). Konkret heißt das: Sobald eine solche Beschwerde eingeht, sind die Anbieter verpflichtet, die Meldung auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen.

Sind die Inhalte offensichtlich strafbar, muss der Post, Tweet o.ä. grundsätzlich innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 NetzDG). Bei nicht offensichtlich strafbaren Inhalten haben Anbieter sieben Tage Zeit, um ihn zu prüfen und ggf. zu löschen oder zu sperren (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 NetzDG). Danach muss der Nutzer über die Entscheidung bezüglich seiner Beschwerde informiert und diese begründet werden.

Gegenvorstellungsverfahren

Große Anbieter sozialer Netzwerke und bestimmte Videosharing-Plattformen müssen außerdem ein wirksames und transparentes Gegenvorstellungsverfahren vorhalten. Damit soll sichergestellt werden, dass Beschwerdeführer einerseits und Verfasser des jeweiligen Inhalts andererseits auf einfache Weise vom Anbieter eines sozialen Netzwerks die Überprüfung einer Entscheidung über einen Inhalt herbeiführen können.

Meldung an das Bundeskriminalamt

Das NetzDG sieht eine Meldepflicht vor: Bei bestimmten Straftaten sind Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet, diese an die Zentralstelle des Bundeskriminalamts (BKA) zu melden (§ 3a NetzDG). Dabei müssen sie den Inhalt des strafbaren Posts und die zur Verfügung stehenden Daten des Verfassers (inkl. der letzten Login-IP-Adresse) weiterleiten. § 3a NetzDG tritt allerdings erst am 1. Februar 2022 in Kraft. Die Vorschrift ist zudem derzeit Gegenstand gerichtlicher Überprüfung vor dem VG Köln (Az. 6 L 1277/21 und Az. 6 K 3769/2).

Berichtspflicht

Der Umgang mit den Beschwerden muss gem. § 2 NetzDG dokumentiert und halbjährlich als Bericht für jedermann zugänglich online veröffentlicht werden (sog. Transparenzberichte). Darin enthalten sein müssen Angaben über die Menge der Beschwerden, die personelle Ausstattung und Kompetenz für deren Bearbeitung sowie die Entscheidungspraxis der Anbieter. Seit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum NetzDG müssen diese Berichte Veränderungen gegenüber den vorherigen Berichten klarstellen. Verwendet der Anbieter automatisierte Verfahren zur Erkennung potenziell strafbarer Inhalte, muss deren Funktionsweise grob erläutert werden.

Drastische Geldbußen gegen Mitarbeiter und Unternehmen

Richtet ein Anbieter kein Meldesystem ein oder erfüllt die Anforderungen nicht hinreichend, drohen den dafür zuständigen Mitarbeitern Geldbußen in Höhe von bis zu fünf Millionen Euro. Unternehmen kann das das Bundesamt für Justiz als zuständige Bußgeldbehörde sogar mit einer Geldbuße bis zu 50 Millionen Euro belegen.

Nennen eines Zustellungs- und Empfangsbevollmächtigten

Um die Zustellung in Bußgeldverfahren und zivilrechtlichen Verfahren zu garantieren, müssen Anbieter sozialer Netzwerke einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen. Dieser muss auf der Plattform (Homepage) leicht erkennbar und unmittelbar erreichbar sein.

Für Auskunftsersuchen von Strafverfolgungsbehörden müssen Social-Media-Plattformen einen separaten inländischen Ansprechpartner als empfangsberechtigte Person benennen. Sowohl der Zustellungsbevollmächtigte als auch die empfangsberechtigte Person können auch externe Berater sein (z. B. Rechtsanwälte) und müssen nicht zwingend beim Unternehmen angestellt sein. Diese Verantwortlichen müssen gut erreichbar sein und schnell reagieren. Bei Verstoß droht ebenfalls ein Bußgeld. Der Bußgeldrahmen beträgt hier bis zu 500.000 Euro bzw. bis zu 5 Millionen Euro, wenn sich das Bußgeld gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen richtet.

Fazit und Ausblick

Mit den Novellierungen im StGB und im NetzDG zeigt der Gesetzgeber einen deutlich strengeren Umgang mit strafbaren Inhalten im Internet. Inwieweit ein höherer Strafrahmen mögliche Täter abschreckt, ist seit jeher umstritten. Zu bedenken ist auch, dass das Strafrecht als schärfstes Sanktionsmittel des Staates immer Ultima Ratio, das letzte Mittel sein muss. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, das Ultima-Ratio-Prinzip stärker zu berücksichtigen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Strafrecht im Bereich Sozialer Medien weiter entwickeln wird. Innerhalb der Europäischen Union gibt es bereits Bestrebungen zur Ausweitung der EU-Straftatbestände auf Hetze und Hasskriminalität. Derzeit gibt es hierzu im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) noch keine Rechtsgrundlagen. Daher hat die EU-Kommission am 9. Dezember 2021 eine Initiative (COM(2021) 777 final) vorgelegt, Hetze und Hasskriminalität in die EU-Straftatbestände aufzunehmen.

Das NetzDG soll Hasskriminalität im Netz bekämpfen. Bereits seit seinem Erlass 2017 steht es jedoch in der Kritik, unverhältnismäßig in die Meinungsfreiheit einzugreifen. Mit den neuen Meldepflichten wird die Debatte um das NetzDG wieder befeuert. Interessant werden vor diesem Hintergrund die noch ausstehenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln über die Frage, ob es für Anbieter sozialer Medien unverhältnismäßig ist, sämtliche Posts auf Strafbarkeit prüfen und an das BKA weiterleiten zu müssen.

Nach neueren Erkenntnissen erscheint zudem die Effektivität des NetzDG fraglich: Offenbar haben Extremisten ihre Hassbotschaften auf Telegram verlegt, für das die Pflichten des NetzDG nicht umfassend greifen. Das NetzDG soll die Verbreitung von Hass auf Telegram sogar noch befeuert haben.

Anbietern sozialer Netzwerke bleibt zu raten, sich – sofern noch nicht geschehen – mit den Neuerungen zu beschäftigen. Aufgrund der hohen Bußgeldrisiken ist eine Auseinandersetzung mit den Compliance-Vorgaben unbedingt zu empfehlen.

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