Neue Berufsordnung für Pflegefachpersonen in NRW – Meilenstein oder Minenfeld?

Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen hat am 10. April 2025 ihre erste Berufsordnung für Pflegefachpersonen bekanntgegeben. Die Neuregelung hat zum Ziel, die Qualität der pflegerischen Tätigkeit zu sichern und berufsunwürdiges Verhalten zu verhindern. Sie soll Pflegenden eine klare Definition ihrer Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten aufzeigen, was ihre Rolle im Gesundheitssystem stärken und den Pflegeberufen Orientierung und Sicherheit im Berufsalltag bieten soll. Die Kehrseite: Ein Verstoß gegen Berufspflichten – unabhängig davon ob bewusst oder unbeabsichtigt – kann erhebliche berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, welche die berufliche und nicht zuletzt die wirtschaftliche Existenz bedrohen können.

Entwurf einer Berufsordnung der Pflegekammer NRW

Berufsordnungen gibt es u.a. für (Zahn-)Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten bereits seit mehreren Jahren. Nun erhält auch der Berufsstand der Pflege ein verbindliches Regelwerk auf Landesebene. NRW reiht sich nach Rheinland-Pfalz als zweites Bundesland in die Liste der Länder mit einer derartigen Berufsordnung ein. Grundlage für die Berufsordnung bildet das Heilberufsgesetz (HeilBerG). Seitens der Kammer wird die Verabschiedung der Berufsordnung als „Meilenstein“ sowie „ein starkes Zeichen für die Selbstbestimmung und Professionalität“ des Berufsstandes beschrieben. Bisher ist auf der Homepage der Pflegekammer NRW nur eine Entwurfsfassung veröffentlicht (Stand: 13. Mai 2025). Mit der Veröffentlichung und Inkrafttreten der finalen Regelung dürfte jedoch bald zu rechnen sein.

Welche Konsequenzen drohen bei Pflichtverletzungen?

Durch die neue Berufsordnung gewinnen Pflegefachpersonen einerseits an rechtlicher Sicherheit bei der Berufsausübung, andererseits werden ihnen berufsrechtliche Pflichten auferlegt, deren Verletzung zu empfindlichen Sanktionen führen kann. Verstoßen Kammermitglieder in ihrer Berufsausübung gegen ihre Berufspflichten, kann dies im berufsrechtlichen Verfahren vor den Kammern oder – bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen – in einem berufsgerichtlichen Verfahren auf Grundlage des Heilberufsgesetzes geahndet werden. Bei schwerwiegenden Berufspflichtverletzungen kann die zuständige Behörde die Berufszulassung entziehen. Hier zeigt sich die Doppelnatur der Ordnung: Sie ist sowohl Schutzschild als auch scharfes Schwert.

Auch der Vorwurf einer Straftat (im beruflichen oder privaten Bereich) bis hin zu einer strafrechtlichen Verurteilung kann u.U. als Verstoß gegen Berufspflichten gewertet werden und berufsrechtliche Konsequenzen für die betroffene Person nach sich ziehen.

Für wen gilt die Berufsordnung?

Die Einhaltung der Berufsordnung ist für jedes Mitglied der Landespflegekammer rechtsverbindlich. Die Pflicht zur Einhaltung erstreckt sich gleichermaßen auf Pflegefachpersonen in leitenden Positionen wie auf angestellte Pflegefachkräfte. Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte, die nicht Pflegefachpersonen sind, wie etwa die kaufmännische Geschäftsführung, sollten sich mit der Berufsordnung ebenso vertraut machen, um sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass Pflegefachpersonen ihre Berufspflichten erfüllen können.

Regeln zur Berufsausübung für Pflegefachpersonen

Das neue Regelwerk umfasst 21 Paragraphen (§§ 1-23, davon § 16 und § 17 unbesetzt). In der Berufsordnung enthalten sind u.a. Regelungen zu den allgemeinen Berufspflichten (§ 4), wie die Ausrichtung des pflegerischen Handelns am Wohl der Pflegeempfänger und Pflegeempfängerinnen (Abs. 1) und die Wahrung der pflegefachlichen Professionalität (Abs. 2). Weiter geregelt sind u.a. Fortbildungspflichten (§ 6), Dokumentationspflichten (§ 7), Schweigepflichten (§ 9), Beratungspflichten (§ 18), Informationspflichten (§ 19) und Regelungen zu Qualitätssicherung (§ 10) sowie Datensicherheit und Datenschutz (§ 15).

§ 5 der Entwurfsfassung regelt zudem Anzeige- und Meldepflichten bei Berufspflichtverletzungen, welche die Berufsangehörigen bei einem begründeten Verdacht, dass Pflegeempfänger oder Kollegen „durch eine strafbare Handlung verletzt oder getötet, missbraucht, vernachlässigt oder misshandelt wurden“, dazu verpflichten, unverzüglich (anonym) Meldung bei den zuständigen Behörden und, falls möglich, gegenüber dem Vorgesetzten zu erstatten. Existiert in der Einrichtung ein Hinweisgebersystem, muss die Meldung auch dort erfolgen. Auch Umstände, die eine fach- und sachgemäße Berufsausübung behindern, sind unverzüglich zu melden.

Recht auf Eigenverantwortung

Besonders ins Auge stechen die Regelungen zur Pflegefachlichen Weisung (§ 20), wonach pflegefachliche Weisungen von Vorgesetzten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen sind. Befolgt werden dürfen durch die Pflegefachpersonen ausdrücklich nur solche Weisungen, „deren Ausführung sie selbst fachlich verantworten können. Ansonsten greift das Remonstrationsrecht“ (vgl. § 20 Abs. 1 S.3 + S.4 Entwurfsfassung). Pflegefachpersonen hätten „das Recht, auf Basis ihrer fachlichen Expertise, Entscheidungen zu treffen und ggf. auch ärztliche Anweisungen zu hinterfragen oder abzulehnen“, heißt es in der Pressemitteilung der Pflegekammer NRW. Wie dies in der Praxis konkret umgesetzt werden soll, bleibt abzuwarten.

Ausblick

Die Berufsordnung der Pflegekammer schafft rechtlich verbindliche Regelungen, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringen. Wie Angehörige anderer Heilberufe, können auch Pflegefachpersonen künftig mit strikten berufsrechtlichen Vorgaben konfrontiert werden.  Zukünftig könnten Maßnahmen zur Unterstützung und Schulung von Pflegefachpersonen erforderlich werden, um die Betroffenen für die neuen Regeln zu sensibilisieren und die Einhaltung der Berufsordnung zu sichern. Des Weiteren ist eine kontinuierliche Überwachung der Umsetzung und Wirkung der Berufsordnung von entscheidender Bedeutung, um notwendige Anpassungen und Optimierungen vorzunehmen, die sowohl den Bedürfnissen der Pflegeempfänger als auch den Interessen der Pflegekräfte gerecht werden.

Feststeht: Pflegende müssen sich ihrer Rechte und Pflichten umfassend bewusst sein, um diese sorgfältig zu erfüllen und berufsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

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