eSport, Gaming und Strafrecht Teil 2: Lootboxen, Datenschutz, Gewaltverherrlichung – worauf sollten Publisher achten?
In Teil 1 unseres Beitrags zu eSport, Gaming und Strafrecht haben wir die häufigsten Manipulationsarten beim Gaming und die möglichen strafrechtlichen Folgen beschrieben. Teil 2 befasst sich mit der Frage: Wann können sich Spieleentwickler (Developer) und/oder Unternehmen, die Videospiele veröffentlichen und vertreiben (Publisher), strafrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt sehen?
Schutz des Urhebers
Mit einem Videospiel wird eine eigene virtuelle Welt geschaffen. Diese Welt im Ganzen ist meist ein ganz erstaunliches künstlerisches Meisterwerk. Die Liebe zum Detail beim Design der Charaktere oder der Schauplätze, die erlebbaren Geschichten und andere Elemente eines Videospiels sind mehr als ein banales Stück Computercode. Die einzelnen Elemente können, soweit sie eine sogenannte persönliche geistige Schöpfung darstellen, dem Schutz des Urheberrechts unterfallen – von der Software an sich über im Spiel enthaltene Bildwerke bis zu Sprachwerken.
Nun verbietet es das Urheberrecht, geschützte Werke zu verwerten, ohne das Recht dazu zu haben. An der Entwicklung eines Videospiels sind zahlreiche Personen beteiligt, sodass der Publisher oder ein Developer allein kaum an allen Elementen ein originäres Urheberrecht hat.
Wer ein Videospiel veröffentlichen will, in der Regel der Publisher, muss also sicherstellen, dass er sich vertraglich von den einzelnen beteiligten Urhebern die erforderlichen (sinnvollerweise ausschließlichen) Nutzungsrechte an den Elementen seiner neuen virtuellen Welt einräumen lässt. Tut er das nicht oder nicht in ausreichendem Maße, sieht er sich letzten Endes womöglich Unterlassungs- und/oder Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Darüber hinaus ist auch, sofern die Voraussetzungen der Vorschriften vorliegen, eine Strafbarkeit nach §§ 106, 108a UrhG denkbar. Im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Ansprüchen ist für eine Strafbarkeit zwar Vorsatz erforderlich. Dafür reicht aber aus, dass die Verantwortlichen es bewusst auf die Urheberrechtsverletzung haben ankommen lassen. In diesen Fällen ist eine Strafbarkeit nicht weit.
Auch wenn Verfahren gegen Verstöße im UrhG in der Praxis nicht zu häufig vorkommen, darf man als Publisher diese Gefahr nicht unterschätzen. Im schlimmsten Fall kann wegen einer in diesen Vorschriften genannten Urheberrechtsverletzung eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren drohen. Der Gesetzgeber bewertet den Unrechtsgehalt also genauso hoch wie einen „normalen“ Betrug.
Betrug an Spielern
Die Monetisierungsmöglichkeiten in Bezug auf Videospiele sind vielfältig. Auf die eine oder andere Art fließt in den meisten Fällen irgendwann Geld von einem Spieler an den Publisher, sei es in Form einer Einmalzahlung für den Erwerb eines Vollpreistitels, in Form von Subscriptions oder In-Game-Transaktionen.
Die Zahlung für eine bestimmte virtuelle Waffe nimmt ein Spieler beispielsweise in der Erwartung eines Videospiels mit fairen Mechanismen (z.B. bei Multiplayer-Onlinespielen in Bezug auf Match-Making) und fairen Gesamtbedingungen (z.B. keine Vorbestimmung des Ausgangs von Kämpfen, kein Einsatz unangekündigter Bot-Mitspieler, etc.) vor.
Hat der Publisher dann allerdings beispielsweise starke Bots in ein Spiel integriert oder auf andere Weise in der Programmierung Elemente hinterlegt, die den Sieg von Spielern in Kämpfen verhindern und sie so ggf. zu höheren Investitionen in stärkere eigene Waffen bewegen, kann dadurch der Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllt sein.
Lootboxen
Neben Risiken in Bezug auf die virtuelle Welt eines Spiels im Ganzen gibt es auch mit Blick auf einzelne Elemente eines Videospiels einige Stolperfallen zu beachten. So zum Beispiel bei der Verwendung von sogenannten „Lootboxen“.
Lootboxen sind virtuelle Kisten, die zufallsgenerierte Preise in Form von Ausstattungen für das jeweilige Spiel (Rüstungen, Werkzeuge, Material etc.) enthalten und meist gegen ein Entgelt geöffnet werden können. Der Spieler hat dabei keinen Einfluss auf den Inhalt der Lootbox.
Kritiker sehen in den meisten Boxen starke Elemente des Glücksspiels, weil ihr Inhalt völlig vom Zufall abhängt. Die Spieler kaufen quasi ein „Los“, mit dem sie auf einen hohen Gewinn hoffen.
In der Praxis unterscheiden sich Lootboxen jedoch von Spiel zu Spiel. Während einige Spiele solche Boxen nur als Add-on anbieten, ist bei anderen das „Vorankommen“ ohne den Kauf solcher Boxen wesentlich schwieriger („pay2win“). Entsprechend muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob die konkrete Ausgestaltung einer Lootbox Glücksspielcharakter hat oder nicht.
Aufgrund dieser Überlegungen wurde bereits vielfach diskutiert, ob Lootboxen dem Glücksspielrecht unterfallen. Würde man dies bejahen, würde es bedeuten, dass sich Publisher wegen unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels (§ 284 StGB) strafbar machen können. Ein Glücksspiel liegt nach dem herrschenden Verständnis dann vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein nicht nur unerhebliches Entgelt als Einsatz verlangt wird und die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.
Viele Fragen in der Diskussion zum Glückspielcharakter von Lootboxen sind allerdings noch nicht abschließend geklärt: Sind die Gegenstände, die der Spieler erhält, wirtschaftlich überhaupt werthaltig? Nur dann sind sie als Gewinne im Sinne des Glücksspiels anzusehen. Hierbei kann aus aktuellem Anlass wohl insbesondere überlegt werden, ob sich an der Einschätzung der Werthaltigkeit durch die gesetzlichen Neuerungen der Digitalen-Inhalte-Richtlinie der EU etwas ändert. Gleichzeitig gibt es bei Lootboxen meist keine wirklichen Nieten. Vielmehr bekommt der Spieler in der Regel für jeden Einsatz etwas, wobei dieses Etwas aber nicht in Bezug auf alle Lootboxen eines Spiels gleichwertig sein muss. Rechtlich ist die Lage hierzu in Deutschland nicht eindeutig.
In Teilen des europäischen Auslands wurden die Lootboxen in der Vergangenheit als Glücksspiel eingestuft und verboten. Ein niederländisches Gericht hat EA (Electronic Arts, einen der größten Spielehersteller) nach seiner Weigerung, die Lootboxen zu entfernen, beispielsweise mit einer Geldstrafe von bis zu zehn Millionen Euro belegt.
Gewaltverherrlichung und Nazi-Symbolik
Die Darstellung von Gewalt im Computerspiel und der angebliche Einfluss auf das Aggressionsverhalten Jugendlicher ist schon seit jeher ein gesellschaftliches Thema. In den letzten Jahren ist es etwas abgeflaut, weil immer eindeutiger wurde, dass ein Zusammenhang nicht besteht. Strafrechtlich kann das Thema für Publisher trotzdem relevant werden, ebenso wie die Verwendung von Nazi-Symbolen in der Spielgestaltung.
Nach § 131 StGB macht sich strafbar, wer einen Inhalt, der grausame Gewalt verherrlicht oder verharmlost, u.a. herstellt, bezieht, liefert, bewirbt oder verbreitet. Langfristiges Ziel des Verbots soll es sein, eine Bagatellisierung von Gewalt zu verhindern und Menschen – in diesem Fall Spieler – davon abzuhalten, ihre Hemmungen in Bezug auf Gewaltanwendung zu verlieren. Dabei ist nicht jede Darstellung von Gewalt verboten, sondern das Grausame und Unmenschliche muss den wesentlichen Inhalt der Gewaltdarstellung ausmachen. In der Praxis sind Strafverfahren nach § 131 StGB in Bezug auf Computerspiele extrem selten.
Verwendet ein Publisher Nazi-Symbolik in seinen Spielen, kann auch das strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gemäß §§ 86, 86a StGB macht sich strafbar, wer Kennzeichen (Fahnen, Abzeichen, Grußformen etc.) verfassungswidriger Vereinigungen in einem von ihm verbreiteten Inhalt verwendet. Ausnahmen laufen unter dem Begriff der Sozialadäquanz und gelten nur, wenn die Darstellung der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
Lange Zeit wurde diese Klausel bei Computerspielen nicht angewandt. Erst 2018 begann die zuständige Prüfstelle (USK), auch Videospiele als Kunstform zu begreifen und sie mit entsprechender Symbolik freizugeben. Allerdings dürfen die Symbole nicht bagatellisiert und verharmlost oder die dahinterstehende Ideologie verherrlicht werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die Hürden der Strafbarkeit inzwischen deutlich höher hängen.
„Early-Access“-Spiele
Bei Early-Access-Spielen handelt es sich um Spiele, die sich eigentlich noch in der Entwicklung befinden. Spieler bekommen vom Publisher eine frühere Version des Spiels zur Verfügung gestellt, die zwar noch nicht alle Features enthält, dafür aber für einen geringeren Preis gekauft werden kann. Im Laufe der Zeit werden dem Spieler dann die neueren Versionen und Updates zur Verfügung gestellt.
Auf Entwickler-Seite hat das den Vorteil, dass diese sich mit den Einnahmen die weitere Entwicklung des Spiels finanzieren können. Für die Spieler bedeutet der Early-Access einen günstigeren Kaufpreis und die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Weiterentwicklung des Spiels.
Allerdings ist die Veröffentlichung als Early-Access-Spiel keine Garantie für die spätere Fertigstellung. Wird im Verkauf des Early-Access mit Updates und Features geworben, die nicht oder doch nicht implementiert werden, muss der Publisher unter Umständen erläutern, warum es nicht zum „Roll-out“ gekommen ist. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass schon bei der Veröffentlichung Zweifel an der Fertigstellung vorlagen, dürfte hier ein Einfallstor für Ermittlungen liegen. Immerhin könnte dann der Verdacht im Raum stehen, dass der Publisher beim Käufer Vorstellungen hervorgerufen hat, die nicht der Wahrheit entsprachen.
Ein Beispiel aus dem Gaming ist z.B. das Spiel „Tennis World Tour“. Dieses Spiel stand in der Kritik unfertig auf den Markt gekommen zu sein. Versprochen war ursprünglich, dass es eine Onlinespielmöglichkeit geben sollte, die beim Release jedoch nicht vorhanden war (mehr zum Ganzen hier: 4players.de). Glück für den Publisher: auf der Verkaufsverpackung und in den Onlinestores war der Onlineteil nicht explizit beworben worden. Später wurde dieser noch hinzugefügt. In einer solchen Konstellation muss ein Publisher sehr genau darauf achten, was er als Attribute benennt. Ein noch nicht fertiges Spiel als fertiges Spiel in den Lauf zu bringen, birgt jedenfalls das Risiko eines Strafverfahrens wegen Betrugs.
Das alles muss der Publisher vorsätzlich veranlasst haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass er absichtlich gelogen haben muss. Vielmehr reicht für den Betrug auch bedingter Vorsatz aus, das heißt, der Spieleentwickler will den Käufer seines Early-Access nicht zwingend täuschen, hält eine Nichtlieferung der Updates aber für möglich und nimmt die Konsequenzen (die Täuschung des Spielers und den daraus resultierenden Vermögensschaden) in Kauf.
Early-Access-Spiele anzubieten ist mittlerweile eine verbreitete Praxis. Für Publisher ist es daher extrem wichtig, über den Stand der Fertigstellung des Spiels keine beschönigende Erklärung abzugeben. Sollte intern deutlich werden, dass ein Spiel (doch nicht) fertiggestellt werden kann, so ist dies unmittelbar zu kommunizieren. Dabei muss der Publisher berücksichtigen, dass er teilweise (zahlreiche) enttäuschte Spieler zurücklässt, die aus ihrer (verständlichen) Verärgerung heraus schnell den Vorwurf des Betrugs erheben.
Wahrscheinlicher als eine Strafbarkeit sind in den Fällen fehlender oder schlechter Kommunikation zu dem Status eines Early-Access-Spiels allerdings Konsequenzen nach dem UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) und im Zusammenhang mit den neuen Pflichten der Digitalen-Inhalte-Richtlinie der EU.
Datenschutz in Online-Spielen
Auch der Datenschutz spielt – vor allem in Online-Spielen – eine große Rolle. Den Publisher treffen eine ganze Reihe von Pflichten im Bereich des Datenschutzes, wie Informations- und Dokumentationspflichten, die von der Erhebung und Verarbeiten bis hin zum Löschen der Daten gelten. Online-Spiele sind aufgrund ihrer weiten Verbreitung und der Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich der IP-Adresse und Informationen zu Zahlungsdienstleistern, oft beliebtes Ziel von Hacker-Angriffen. Dabei kann es zum Verlust der Hoheit über die verarbeiteten Spielerdaten kommen, der gleichzeitig auch einen bußgeldbewehrten Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstellen kann.
Dabei ist die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben schon ohne einen Hacker-Angriff nicht immer einfach. Vor allem für Minderjährige, also einen erheblichen Teil der Zielgruppe von Videospielen gelten beispielsweise besondere Regeln. Die Einhaltung dieser Regeln kann online besonders schwierig sein.
Anbieter von Online-Spielen sollten sich frühzeitig mit den Anforderungen des Datenschutzes vertraut machen und alle erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der großen Zahl verarbeiteter personenbezogener Daten treffen, um nicht nur möglichen Bußgeldern, sondern auch Reputationsschäden aus dem Weg zu gehen.
Gerade Hacker-Angriffe erregen nämlich große mediale Aufmerksamkeit, die eine Gefahr für die Reputation der Publisher darstellen. Beispielsweise der Angriff auf Sonys PlayStation Network im Jahr 2011, bei dem Daten von 77 Millionen Kunden abgegriffen wurden, sorgte jahrelang für Aufregung und hat mittlerweile sogar eine eigene Wikipedia-Seite.
Fazit
Strafbarkeitsrisiken von Publishern finden sich in vielen Facetten der Games-Branche. Aufgrund der wachsenden Beliebtheit von Videospielen wird auch die mediale Aufmerksamkeit bei Straf- und Bußgeldprozessen weiter wachsen. Publisher müssen daher bei der Entwicklung ihrer Spiele von Anfang an die möglichen urheber-, straf- und datenschutzrechtlichen Risiken in den Blick nehmen.