FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 2)

Der zweite Teil unserer Beitragsreihe „FAQ: Interne Untersuchungen“ beleuchtet die Frage, ob Arbeitnehmer verpflichtet sind, im Rahmen einer Internal Investigation mit dem Arbeitgeber zu kooperieren. Zudem geht der Beitrag der Frage nach, ob Beschäftigte im Rahmen einer Befragung Auskunft geben müssen. Schließlich werden etwaige Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmern thematisiert und die wesentlichen Rechte von Beschäftigten im Rahmen einer internen Untersuchung dargestellt, auch und gerade, wenn ein beruflich genutzter E-Mail-Account gesichtet werden soll.

Sind Mitarbeiter des Unternehmens im Rahmen einer Internal Investigation zur Kooperation mit dem Arbeitgeber verpflichtet?

Grundsätzlich unterliegen Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses einer Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber (§ 241 Abs. 2 BGB). Der Arbeitnehmer ist insoweit dazu verpflichtet alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um Schäden von seinem Arbeitgeber abzuwenden. Dient die interne Untersuchung der Aufklärung eines für den Arbeitgeber potentiell gefährlichen Sachverhalts, muss der Arbeitnehmer daher kooperieren, um das Unternehmen vor (weiteren) Schäden zu schützen. Darunter fällt beispielsweise die Herausgabe dienstlicher Unterlagen oder die Mitwirkung im Rahmen von Mitarbeiterinterviews.

Muss der Arbeitgeber die Mitarbeiter über die interne Untersuchung informieren?

Es besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers die Arbeitnehmer über eine interne Untersuchung zu informieren. Auch der von der Untersuchung betroffene Mitarbeiter muss über die laufende Internal Investigation nicht unterrichtet werden. Erst im Zeitpunkt der Anhörung besteht eine Pflicht des Arbeitgebers, die von der Befragung betroffenen Mitarbeiter über die interne Untersuchung zu informieren, wenn auch nicht zwingend über den aufzuklärenden Sachverhalt als solchen.

Wenn die Mitarbeiter über die Internal Investigation informiert werden, sollte genaustens geprüft werden, welche Mitarbeiter adressiert werden, um die Gefahr von Verdunkelungshandlungen gering zu halten. Zudem ist es meistens ratsam, die Informationen auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Sofern die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt, etwa im Rahmen eines E-Mail-Screenings oder der Durchsicht elektronischer Daten, sind zudem die Informationspflichten nach Art. 13 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten. Davon kann indes abgesehen werden, wenn die Informationserteilung rechtliche Ansprüche des Unternehmens beeinträchtigen würde und die Interessen des Unternehmens an der Nichterteilung der Informationen die Interessen des/der Betroffenen überwiegen (§ 32 Abs. 1 Nr. 4 BDSG). Dies ist im Einzelfall zu prüfen zu dokumentieren.

Vor Beginn der internen Untersuchung ist zudem zu prüfen, ob nach den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) der Betriebsrat informiert werden muss oder die Einbindung zumindest strategisch sinnvoll erscheint.

Müssen Arbeitnehmer im Rahmen einer Befragung Auskunft geben?

Grundsätzlich sind Beschäftigte im Rahmen ihrer arbeitsrechtlichen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber (§§ 666, 675 BGB) zu einer wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunft der Fragen des Arbeitgebers verpflichtet. Voraussetzung ist, dass die Fragen einen dienstlichen Bezug haben und mit dem (vertraglich übertragenen) Arbeitsbereich des Arbeitnehmers unmittelbar zusammenhängen. Außerhalb des eigenen Arbeitsbereichs verletzten Arbeitnehmer dagegen keine arbeitsvertragliche Pflicht, wenn sie die Antwort auf Fragen verweigern, die sie der Gefahr einer Selbstbelastung zuziehen würden.

Generell ist bis heute nicht abschließend geklärt, ob die Auskunftspflicht auch dann besteht, wenn sich ein Mitarbeiter mit Beantwortung der Frage der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde. Folgt man dem im Strafprozessrecht geltenden Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht des Beschäftigten (entsprechend § 55 StPO), sollte die Gefahr bestehen, dass er sich mit Beantwortung der Frage selbst belasten könnte.

Nach der Gegenauffassung greift dieses Prinzip im Arbeitsverhältnis jedoch nicht, zumindest wenn es um den Arbeitsbereich geht, der dem Arbeitnehmer unmittelbar übertragen wurde. Denn die Selbstbelastungsfreiheit diene allein dem Zweck, vor staatlichem Zwang zu schützen und das Informationsbedürfnis des Arbeitgebers überwiege die Geheimnisinteressen des Arbeitnehmers. Teilweise wird eine Aussagepflicht des Arbeitnehmers auch mit der Einschränkung befürwortet, dass dessen Aussage lediglich in einem sich anschließenden Strafverfahren nicht verwertet werden könne.

Ist der Beschäftigte vor einer Mitarbeiterbefragung über seine Rechte zu belehren?

Werden Arbeitnehmer im Rahmen einer internen Untersuchung als Zeugen befragt, ist der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung des Gesprächs frei. Da die Strafprozessordnung auf Private nicht anwendbar ist, besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über ein etwaiges strafprozessuales Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren. In der Regel zeigt sich aber eine höhere Kooperationsbereitschaft, wenn zumindest über den Hintergrund und die Zielsetzung der Befragung informiert wird. Zudem ist es oftmals sinnvoll, über die rechtlichen Folgen einer Aussage aufzuklären, insbesondere die potentielle Verwertbarkeit der Auskünfte in einem späteren Strafverfahren.

Kann der Mitarbeiter bei einer Mitarbeiterbefragung einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen?

Grundsätzlich hat der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands. Allerdings gehört es laut der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu den üblichen Standards einer internen Untersuchung, dass der Mitarbeiter einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen kann. Oftmals schafft diese Möglichkeit auch ein größeres Vertrauen in die Befragung und erhöht die Aussagebereitschaft des Mitarbeiters. Wird dem Arbeitnehmer ein strafrechtliches Verhalten vorgeworfen, wird es teilweise auch als Teil der Fürsorgepflicht angesehen, dass sich der Mitarbeiter durch einen anwaltlichen Rechtsbeistand begleiten lässt. Gleiches gilt bei Anhörungen im Vorfeld einer Verdachtskündigung.

Kann der Mitarbeiter bei einer Mitarbeiterbefragung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen?

Ein Recht des Arbeitnehmers, bei einer Befragung den Betriebsrat hinzuzuziehen besteht grundsätzlich nicht. Grundsätzlich hat der Betriebsrat nur das Recht, über die Durchführung der Anhörung informiert zu werden (§ 80 Abs. 2 BetrVG). Erkenntnisse aus dem Gespräch müssen dem Betriebsrat dagegen nicht offengelegt werden.

Ein Recht zur Teilnahme des Betriebsrats besteht dann, wenn dieser glaubhaft macht, dass im Rahmen der Anhörung Themen erörtert werden, die zur Aufgabenerfüllung des Betriebsrats von Bedeutung sind (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) und er seinen Aufgaben ansonsten nicht ausreichend nachkommen kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Befragung das allgemeine Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer und nicht allein das Arbeitsverhalten des befragten Arbeitnehmers betrifft.

Was sind Amnestiezusagen?

Bei einem Amnestieversprechen handelt es sich um die Zusage einer Freistellung von zivilrechtlicher Haftung, arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder anderer Vorteile im Gegenzug für ein kooperatives Verhalten des Mitarbeiters im Rahmen der internen Untersuchung. Grundsätzlich sind solche Zusagen bzw. Vereinbarungen zulässig. Die Geschäftsleitung muss hierbei insbesondere berücksichtigen, dass das Aufklärungsinteresse das Sanktionsinteresse zum Wohle des Unternehmens überwiegt.

In strafrechtlicher Hinsicht muss sich das Unternehmen aber über die Grenzen einer Amnestie im Klaren sein. Bei Straftaten, die einen Strafantrag voraussetzen, kann das Unternehmen – sofern dies im unternehmerischen Ermessensspielraum liegt – von der Stellung eines Strafantrags absehen. Offizialdelikte werden dagegen von Amts wegen verfolgt – Unternehmen können insoweit keine Amnestie vor strafrechtlicher Verfolgung gewähren. Auch bei sog. relativen Antragsdelikten ist eine Strafverfolgung ohne Strafantrag zulässig, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

Dürfen bei einer internen Untersuchung E-Mails der Mitarbeiter durchsucht werden?

Bei der Frage der Durchsicht der E-Mail-Korrespondenz von Mitarbeitern kommt es zunächst auf die Frage an, ob der Arbeitgeber den Mitarbeitern die private Nutzung des betrieblichen E-Mail Accounts untersagt oder inwieweit er dies gestattet bzw. geduldet hat.

  • Wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung untersagt hat:

Ist eine Nutzung des Rechners und des E-Mail-Accounts für private Zwecke untersagt, richtet sich die Zulässigkeit des E-Mail-Screenings nach den Vorgaben des Datenschutzrechts. Ausreichend ist dann insbesondere ein auf tatsächlichen Anhaltspunkten basierender Verdacht, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat (§ 26 Abs. 1 S. 2 BDSG). Der Arbeitgeber oder von ihm beauftragte Dritte dürfen dann nicht nur die Verbindungsdaten und die Ziel- und Sendeadressen speichern und nutzen, sondern auch den Inhalt dienstlicher E–Mails zur Kenntnis nehmen. Nur die Sichtung von als „privat” gekennzeichneten E–Mails ist nicht zulässig.

  • Wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung erlaubt oder geduldet hat:

Erlaubt oder duldet der Arbeitgeber die private Nutzung ausdrücklich oder konkludent, gestaltet sich die Durchsicht der E-Mails in der Praxis deutlich schwieriger. Umstritten ist bis heute (auch nach Inkrafttreten des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG)) die Frage, ob der Arbeitgeber bei erlaubter oder geduldeter Privatnutzung zum Diensteanbieter von Telekommunikationsdienstleistungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG (früher: § 88 Abs. 2 TKG a.F.) wird. Bis heute gibt es keine eindeutige gesetzliche Regelung oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage.

Nach Auffassung der Datenschutzbehörden gilt insoweit das Fernmeldegeheimnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ohne eine vorherige Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter darf der Arbeitgeber infolgedessen nicht auf die E–Mails seiner Mitarbeiter zugreifen. Ansonsten drohe ein Strafbarkeit nach §§ 202a, 206 Abs. 1 StGB (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2005 – 1 Ws 152/04). Da eine Einwilligung nur im Falle der freiwilligen Abgabe wirksam ist, wird man auf Grundlage dieser Auffassung nicht selten zu dem Ergebnis gelangen, dass die Einwilligung nur unter dem Druck der internen Untersuchung zustande gekommen und daher unwirksam ist. Dass die Einwilligung nicht zwingend unwirksam sein muss, hat am 11. Dezember 2014 das Bundesarbeitsgericht festgestellt (Az. 8 AZR 1010/13). Voraussetzung ist insoweit, dass die Mitarbeiter umfassend schriftlich über den Zweck der Erfassung ihrer Daten informiert, über die Freiwilligkeit aufgeklärt und (wiederholt) darauf hingewiesen worden sind, dass an der Nichterteilung keine negativen Konsequenzen gebunden sind.

Nach mittlerweile wohl herrschender Auffassung sind Arbeitgeber dagegen keine Telekommunikationsdiensteanbieter. Denn nach Sinn und Zweck der Regelung in § 88 TKG a.F. (nunmehr § 3 TTDSG) sind davon nur die unternehmensinternen Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den Telekommunikationsanbietern bzw. der Telekommunikationsanbieter selbst betroffen. Zudem wird das Recht des Mitarbeiters auf informationelle Selbstbestimmung umfassend durch das BDSG und die danach durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung geschützt.

Die Zulässigkeit des E-Mail-Screenings richtet sich insoweit nach den Vorgaben des Datenschutzrechts (insbesondere § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG). Der Eingriff muss insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen, wobei die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung nicht überwiegen dürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass dem Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters durch die Erlaubnis der privaten Nutzung des E-Mail-Accounts eine höhere Gewichtung zukommt. Nach dem Datenminimierungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) dürfen zudem nur die Daten überprüft werden, die zur Aufklärung des Verdachts der möglichen Pflichtverletzung notwendig sind. Die Sichtung von privaten Nachrichten ist hierbei grundsätzlich unzulässig.

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Teil 1: FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 1)

Teil 3: FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 3)

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