FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 3)

Wie ist eine interne Untersuchung zu dokumentieren? Welche Konsequenzen kann eine interne Untersuchung für Betroffene und Unternehmen haben? Besteht im Rahmen einer Internal Investigation eine Kooperationspflicht des Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden? Dürfen die Erkenntnisse einer internen Untersuchung in einem sich anschließenden Strafverfahren verwertet werden? Und: Unterliegen die Ergebnisse einer internen Untersuchung der Beschlagnahme? Diesen Fragen widmet sich der letzte Teil unserer kleinen Beitragsreihe FAQ: Interne Untersuchungen.

Welche Anforderungen bestehen an die Dokumentation einer internen Untersuchung?

Es gibt keine einheitlichen Standards, wie die Erkenntnisse einer internen Untersuchung zu dokumentieren sind. In der Regel werden Interviews mit den Beschäftigten (wörtlich) protokolliert und die Ergebnisse von E-Mailscreenings und Datenanalysen schriftlich festgehalten. Hierbei kommt einem Interview-Protokoll, das der befragte Mitarbeiter mit seiner Unterschrift validiert hat, regelmäßig ein höheres Gewicht zu als einem Gedächtnisprotokoll.

In der Regel wird die Untersuchung mit der Erstellung eines Untersuchungsberichts abgeschlossen. Dieser enthält neben dem Untersuchungsauftrag eine vollständige, chronologische Auflistung der Untersuchungsmaßnahmen, beschreibt idealerweise den festgestellten Sachverhalt und beinhaltet darauf basierend rechtliche Schlussfolgerungen. Schließlich kann der Bericht Empfehlungen im Sinne organisatorischer Anpassungen, Vorschläge zur Änderung interner Richtlinien, neue Schulungskonzepte oder Optimierungsvorschläge für Prozessabläufe etc. aussprechen.

Welche Konsequenzen kann eine interne Untersuchung haben?

Damit eine interne Untersuchung nachhaltige Wirkung entfaltet, muss sie basierend auf den Untersuchungsergebnissen Konsequenzen haben, insbesondere, wenn ein Pflichtenverstoß festgestellt wird.

Im arbeitsrechtlichen Bereich kommen verschiedene Reaktionen auf Compliance-Verstöße in Betracht. Disziplinarmaßnahmen können zum Beispiel

  • eine Ermahnung,
  • eine Abmahnung,
  • der Verlust von freiwilligen oder variablen Entgeltbeständen,
  • die Versetzung oder
  • eine verhaltensbedingte ordentliche bzw. außerordentliche fristlose Kündigung sein.

Welche der Maßnahmen im Ergebnis zum Tragen kommt, ist abhängig vom Einzelfall, nach Schwere des Verstoßes und den jeweiligen Tatumständen zu entscheiden.

Zugleich können zivilrechtliche Konsequenzen gezogen werden, zum Beispiel können bei festgestellten Untreue-, Unterschlagungs- oder Diebstahlshandlungen vertragliche, deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche des Unternehmens auf Schadensersatz geltend gemacht werden.

In strafrechtlicher Hinsicht kommen insbesondere eine Strafanzeige und ein Strafantrag des Unternehmens in Betracht.

Festgestellte Defizite sollten zudem innerhalb der jeweiligen Fachabteilungen adressiert und abgestellt werden, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Dies kann zum Beispiel durch zusätzliche Compliance-Schulungen, Prozessverbesserungen, Änderung von Richtlinien oder durch einen Wandel der Unternehmenskultur geschehen.

Müssen Unternehmen bei einer internen Untersuchung mit den Ermittlungsbehörden kooperieren?

Es gibt abgesehen von den in § 138 StGB genannten Straftaten und der Pflicht zur Meldung von Geldwäscheverdachtsfällen (§ 43 Abs. 1 GwG) keine Pflicht des Unternehmens im Rahmen einer internen Untersuchung mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren oder die Untersuchungsergebnisse an die Behörden weiterzuleiten. Zwar kann eine interne Untersuchung vor oder auch parallel zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stattfinden. Ebenso kann sie aber auch völlig unabhängig davon verlaufen.

Ist ein Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet worden, kann sich eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden anbieten. Dies kann sich zum Beispiel mildernd auf eine potentielle Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen auswirken – insbesondere im Rahmen der kartellrechtlichen „Kronzeugenregelung“ – und das Strafmaß im Falle einer möglichen Verurteilung eines Mitarbeiters reduzieren.

Dürfen die Erkenntnisse aus der internen Untersuchung in einem Strafverfahren verwertet werden?

In einem Strafverfahren stellt sich oftmals die Frage, ob die im Rahmen der internen Untersuchung gewonnenen Ergebnisse (z.B. die Interview-Protokolle) vor Gericht verwertet werden dürfen. Diese Frage ist besonders virulent, wenn die interne Untersuchung selbstbelastende Aussagen zutage gefördert hat. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage liegt bislang (leider) nicht vor.

Im Zentrum der Diskussion steht das Dilemma des Arbeitnehmers, der einerseits arbeitsvertraglich gegenüber seinem Arbeitgeber zur Mitwirkung und Auskunft verpflichtet ist. Andererseits steht ihm im Strafverfahren das Recht zu, sich nicht selbst belasten zu müssen (nemo tenetur-Grundsatz).

Zur Lösung des Problems rekurriert eine Auffassung auf den sog. „Gemeinschuldner-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Januar 1981 (Az. 1 BvR 116/77). In dem Verfahren ging es um einen Insolvenzschuldner (damals noch „Gemeinschuldner“ genannt), der seinen gesetzlichen Auskunftspflichten gegenüber dem Konkursverwalter nicht nachkam, weil wegen des Verdachts eines Konkursvergehens ein parallel laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Durch die Beantwortung der Fragen des Konkursverwalters müsse er sich möglicherweise selbst strafbarer Handlungen bezichtigen. Das Bundesverfassungsgericht entschied daraufhin, dass eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung, die aus gesetzlichen Auskunftspflichten resultiere, im Strafverfahren nicht gegen den Betroffenen verwendet werden kann. Eine Auffassung will daraus ein allgemeines Verwertungsverbot herleiten, das sich nicht auf den Strafprozesses beschränke (von Galen, NJW 2011, 942, 945ff.).

Teilweise wird dagegen eingewandt, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer internen Untersuchung keiner gesetzlichen Auskunftspflicht unterliege, sondern sich durch Abschluss des Arbeitsvertrages gegenüber dem Arbeitgeber freiwillig zur Auskunft verpflichtet habe (LG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2010 – Az. 608 Qs 18/10).

Wieder andere Stimmen rechnen das Handeln der privaten Ermittler den staatlichen Behörden zu und bejahen mithin eine direkte Anwendbarkeit der Selbstbelastungsfreiheit mit der Folge eines Verwertungsverbots selbstbelastender Aussagen (Greco/Caracas, NStZ 2015, 7, 13f.).

Zum Teil wird ein strafprozessuales Verwertungsverbot auch aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Fair-Trial-Grundsatz) hergeleitet, dass sich aus den Freiheitsgrundrechten und der Verpflichtung des Staats zur Achtung der Menschenwürde herleitet (Momsen, ZIS 2011, 508, 514, 516).

Bislang haben die mit der Frage befassten Instanzgerichte die Annahme eines Verwertungsverbots indes – soweit ersichtlich – trotz der gewichtigen Gegenargumente abgelehnt, sodass insbesondere Anhörungsprotokolle faktisch verwertet werden.

Können die Ergebnisse der internen Untersuchung beschlagnahmt werden?

Die Frage, ob die im Rahmen der internen Untersuchung erstellten Unterlagen, wie z.B. Interviewprotokolle, durch die Ermittlungsbehörden beschlagnahmt werden dürfen, ist durch den BGH noch nicht abschließend geklärt worden.

Das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 15.10.2010 – Az. 608 Qs 18/10) hat die Geltung eines Beschlagnahmeverbots für Anhörungsprotokolle abgelehnt, weil zwischen den die Untersuchung durchführenden Rechtsanwälten und dem befragten Mitarbeiter kein durch § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO besonders geschütztes Vertrauensverhältnis bestehe. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der mit der Untersuchung beauftragte Rechtsanwalt Unternehmensinteressen vertrete und der befragte Mitarbeiter dem Rechtsanwalt nicht in ratsuchender Rolle gegenübertrete.

Anders hat die Frage das Landgericht Mannheim (Beschluss vom 03.07.2012 – Az. 24 Qs 2/12) gesehen. Es bejahte den Beschlagnahmeschutz im Hinblick auf die Interviewprotokolle sowohl nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO als auch nach § 160a Abs. 1 StPO. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn sich die Unterlagen in den Räumlichkeiten der die Ermittlungen durchführenden Anwaltskanzlei befänden. Solange die Unterlagen im Gewahrsam des Mandanten seien, bestehe kein Beschlagnahmeschutz, auch wenn sie sich in der Hand des Syndikusrechtsanwalts befänden.

Nach Auffassung des Landgerichts Braunschweig (Beschluss vom 21.07.2015 – Az. 6 Qs 116/15)  sind wiederum sämtliche Unterlagen einer internen Untersuchung beschlagnahmefrei, wenn sie zum Zwecke einer möglichen Verteidigung erstellt worden sind. Dies gelte unabhängig davon, ob die Unterlagen durch einen Mitarbeiter des Unternehmens oder einen Rechtsanwalt erstellt worden seien. Zudem komme es nicht darauf an, ob sich die Unterlagen im Unternehmen oder in den Kanzleiräumlichkeiten befänden. Auch sei es nicht notwendig, dass bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Eine schützenswerte Vertrauensbeziehung könne bereits in der Vorbereitung einer Verteidigung bestehen, wenn der betroffene Mitarbeiter befürchte, dass künftig ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werde. Dies gelte auch im Hinblick für das Unternehmen selbst. Denn die eigenständige Aufarbeitung der Vorwürfe durch das Unternehmen stelle ein wesentliches Element einer wirksamen Verteidigung dar, auch wenn noch keine konkrete Verteidigungsstrategie erörtert worden sei.

Wiederum anders sah dies das Landgericht München I in mehreren Beschlüssen. Auf die daraufhin eingelegten Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27.06.2018 – Az. 2 BvR 1405/17, Jones Day) entschieden, dass eine Durchsicht sichergestellter Daten einer internen Untersuchung und eine daran anknüpfende Verwendung für weitere Ermittlungen aus Gründen der Effektivität der Strafverfolgung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei. Der Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 Abs. 1 StPO greife erst dann, wenn ein konkretes Mandatsverhältnis zum Unternehmen bestehe und eine künftige Nebenbeteiligung des Unternehmens nach objektiven Gesichtspunkten in Betracht komme. Darunter versteht man die Möglichkeit, das Unternehmen in einem sich anschließenden Strafverfahren gegen Individualpersonen formal zu beteiligen. In der Regel erfolgt dies, um Einziehungsmaßnahmen oder eine Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen festzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht führte im Weiteren aus, dass ein Strafverfahren noch nicht eingeleitet worden sein müsse. Erforderlich sei indes ein „hinreichender Verdacht“ für eine durch eine bestimmte Leitungsperson begangene Straftat oder Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG). Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes genüge dagegen noch nicht. Wenn das Unternehmen ein künftiges gegen sich gerichtetes Ermittlungsverfahren lediglich befürchte und vor diesem Hintergrund eine unternehmensinterne Untersuchung bei einem Rechtsanwalt in Auftrag gebe, sei die Annahme einer beschuldigtenähnlichen Stellung des Unternehmens, die einen Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 Abs. 1 StPO nach sich ziehen würde, daher nicht geboten. § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO sei ohnehin nicht anwendbar.

Im Ergebnis bleibt die Möglichkeit der Beschlagnahme im Unternehmen somit ein bestehendes Risiko. Auch der Beschluss des BVerfG hat wegen seines eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bedauerlicherweise keine abschließende Klärung bringen können.

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Teil 1: FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 1)

Teil 2: FAQ: Interne Untersuchungen – Was Arbeitgeber beachten müssen (Teil 2)

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