Steuer(straf)rechtliche Folgen des VerSanG – Kleine Anfrage der FDP-Fraktion

Welche Folgen hat das Verbandssanktionengesetz für das Steuerrecht und das Steuerstrafrecht? Dazu hat die FDP am 04.02.2021 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (BT-Drucks. 19/26453, im Internet verfügbar als Vorabfassung Drucksache 19/26453).

Bisheriger Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens

Nachdem die Bundesregierung am 23.10.2020 eine Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Verbandssanktionengesetz vom 18.09.2020 (BR-Drucks. 440/20) veröffentlicht hat (BT-Drucks- 19/23568, Anlage 5, S. 151 ff.), ist es etwas ruhig geworden im Gesetzgebungsverfahren. Wir haben über den bisherigen Verlauf ausführlich berichtet (So hat der Bundesrat zum Verbandssanktionengesetz abgestimmt; Update VerSanG: Gegenäußerung der Bundesregierung zum Bundesrat)

Alle, die es betrifft, warten nun gespannt auf die Prüfungsergebnisse der Bundesregierung. Diese hatte in ihrer Gegenäußerung angekündigt, einzelne Punkte des Gesetzesentwurfs noch einmal zu prüfen. Der Schwerpunkt dürfte hierbei insbesondere auf den zukünftigen Anforderungen an ein Compliance Management System liegen. Hierzu hatte die Bundesregierung angekündigt zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie Vorgaben an Compliance für Unternehmen genauer umschrieben und weiter konkretisiert werden können. Die besonderen Belange von KMU sollten hierbei berücksichtigt werden (BT-Drucks. 19/23568, Anlage 5, Ziff. 1).

Folgen des VerSanG für das Steuerrecht und Steuerstrafrecht 

Die FDP gibt der Bundesregierung in ihrer Kleinen Anfrage zum Verbandssanktionengesetz einige zusätzliche Fragen mit. Da eine Verbandstat nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs auch eine Steuerstraftat i.S.d. § 369 AO sein kann (Gesetzentwurf, S. 59), sind nach Ansicht der FDP-Fraktion noch Fragen zur steuerrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen offen.

Tax Compliance Management System

Neben allgemeinen Fragen wie etwa, wie sich die Sanktionierung von der Bestrafung von Verbänden unterscheidet und warum der Gesetzentwurfs keinen Katalog mit Aufzählung beinhaltet, welche Straftaten eine Verbandstraftat sein können, steht das Tax Compliance Management System (TCMS) im Fokus der Anfrage.

Das geplante VerSanG sieht – soweit ein solches System vorhanden ist – auf Rechtsfolgenebene eine Strafmilderung vor. Ein solches Compliance Management System kann aber nach Ansicht der Fragesteller sehr kosten- und personalintensiv werden. Daher möchte die FDP insbesondere wissen, ob die Bundesregierung Maßnahmen plant, um die Anforderungen an TCMS zu spezifizieren und den Rechtsbegriff eines „wirksamen“ TCMS für die Praxis genauer und spezifischer auszugestalten.

Ein innerbetriebliches Kontrollsystem für Steuern ist keine Erfindung des VerSanG. Bereits seit der Veröffentlichung des Anwendungserlasses zu § 153 AO vom 23.05.2016 wird das Vorliegen eines solchen als Indiz gesehen, welches gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann und damit zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt. Über die Anforderungen im Detail herrschen – wie die kleine Anfrage zeigt – jedoch noch erhebliche Unsicherheiten. Das geplante VerSanG hat hierzu – auch in Bereichen fernab von Steuern – bisher keine klaren Regelungen geschaffen.

Weitere Fragen der FDP 

In der Kleinen Anfrage geht es darüber hinaus um die Exkulpationsmöglichkeiten im Falle von Straftaten durch Mitarbeiter oder Leitungspersonen. Auch möchte die FDP wissen, ob die Bundesregierung Maßnahmen plant, um festzulegen, welche Verstöße gegen Compliance-Pflichten geeignet sind, strafrechtliche Folgen auszulösen.

Weiter erkundigt sich die FDP, warum die Strafzumessung in § 9 des Gesetzentwurfs an den Umsatz und nicht den Gewinn anknüpft. Eine interessante Frage, wenn man bedenkt, dass die Ausgaben von Unternehmen stark variieren können – Unternehmen mit hohen Fixkosten und einer geringeren Gewinnmarge könnten daher benachteiligt werden.

Es ist auch die Frage enthalten nach der Verhältnismäßigkeit einer Verbandssanktion in Höhe von 10 Mio. Euro für ein Unternehmen, dessen Gesamtumsatz weniger als 100 Mio. Euro beträgt. Diese Frage knüpft an die geplante Regelung an, wonach bei einer vorsätzlichen Verbandstat die Verbandsgeldsanktion bis zu 10 Mio. Euro beträgt. Erwirtschaftet das Unternehmen einen durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. Euro kann die Verbandsgeldsanktion jedoch bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen.

Gefragt wird auch nach einer Abgrenzung zwischen ideellem und wirtschaftlichem Verein. Hier ist der Hintergrund, dass ideelle Verbände vom Anwendungsbereich des VerSanG herausgenommen sind. Da aber auch solche unter bestimmten Bedingungen wirtschaften dürfen, stellt sich die Frage, worauf das VerSanG konkret abstellt.

Ausblick 

Die FDP gibt in ihrer Anfrage der Bundesregierung gebündelt Hausaufgaben mit, die den bisherigen selbstauferlegten Prüfungsumfang noch etwas ergänzen dürften. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Kleine Anfragen von Parteien und Fraktionen durch Interessen der Wählerschaft gefärbt sein können, treffen die Fragen der FDP Befürchtungen, die sich sehr häufig in Praxis, Anwaltschaft und Wissenschaft widerfinden. Zwar werden Kleine Anfragen – im Gegensatz zu Großen Anfragen – meist nicht besonders rechercheintensiv beantwortet. Sie können jedoch zumindest im Ansatz einen richtungsweisenden Überblick geben. Vor diesem Hintergrund kann man auf die Antworten gespannt sein.

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Unternehmensstrafrecht

Dr. Katharina Schomm ist Senior Legal Counsel Strafrecht bei Vodafone. Dort berät sie als Syndikusrechtsanwältin in der Rechtsabteilung die Fachbereiche und die Unternehmensleitung zu allen wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen und zu Criminal Compliance. Bis Ende 2021 war sie Partnerin bei Wessing & Partner.