Steuerhinterziehung

Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung auch bei bandenmäßiger Begehung

Nachdem mit dem „Zweites Coronahilfegesetz“ die Verlängerung der Verfolgungsverjährung nach § 376 AO beschlossen und eine unliebsame BGH-Rechtsprechung zur Abschöpfung von verjährten Steueransprüchen abgeschafft worden ist, soll nun der organisierten Steuerhinterziehung Einhalt geboten werden.

Nach dem auf einer Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen beruhenden „Gesetz zu umfassenden Verfolgung der organisieren Steuerhinterziehung“ soll die bandenmäßige Begehung der Steuerhinterziehung in Gänze dem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO unterfallen.

Bislang war der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung in der bandenmäßigen Begehungsvariante nach § 370 Abs 3 Satz 2 Nr. 5 AO lediglich im Bereich des organisierten Umsatzsteuerbetrugs, wie er beispielsweise bei Umsatzsteuerkarussellen zu finden ist, gesetzlich geregelt.

Das Land Nordrhein-Westfalen, das in den Bundesrat einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht hat, hat nun im Zuge der Cum/ex-Ermittlungen entdeckt, dass eine arbeitsteilige Vorgehensweise nicht nur im Bereich der Umsatzsteuerkarusselle möglich ist. Sondern auch im Bereich anderer, beispielsweise der Ertragssteuern. Um die Lücke im Gesetz zu schließen, soll nun der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung in der Variante der bandenmäßigen Begehung auf alle Steuerarten erweitert werden.

Was ist „organisierte Steuerhinterziehung“?

Ob der Begriff „organisierte Steuerhinterziehung“ im Titel des Gesetzes die Gesetzeswirklichkeit trifft, darf man bezweifeln. Unproblematisch sollte der Gesetzeszweck – Erweiterung des Tatbestands der bandenmäßigen Begehung der Steuerhinterziehung auf alle Steuerarten – für die organisierte Kriminalität einschlägig sein. Dass mit der Erweiterung der Norm auch Allerwelts-Konstellationen erfasst werden, ist offensichtlich.

Im Tatbestand einer Bande ist man nämlich relativ schnell. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es für eine „Bande“ keiner Organisation, sondern lediglich des Zusammenschlusses von mindestens drei Personen. Diese drei Personen müssen sich ausdrücklich oder stillschweigend zur Verübung fortgesetzter, im Einzelnen noch ungewisser (Steuerhinterziehungs-)Taten verbunden haben. Das bedeutet, dass der besonders schwere Fall der Steuerhinterziehung auch in solchen Konstellationen relevant werden kann, bei der drei oder mehr Personen zufällig beim arbeitsteiligen Geschäftsablauf in Unternehmen zusammenwirken. Bilden beispielsweise der Buchhalter und der Geschäftsführer einer GmbH unter Beteiligung einer dritten Person, wie etwa dem Steuerberater, eine unzutreffende Rückstellung und wird diese Bestandteil der Steuererklärung, kann dadurch eine „bandenmäßige“ Steuerhinterziehung vorliegen. Dass dieses Vorgehen nichts mit organisierter Kriminalität zu tun hat, ist offensichtlich. Auch diese Konstellationen werden aber von der geplanten Regelung erfasst werden.

Konsequenzen im Einzelnen 

Das Gesetzesvorhaben stuft jegliche bandenmäßig begangene Steuerhinterziehung als besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung ein. Und damit sind auch weitere Konsequenzen verbunden. So wird nicht nur der Strafrahmen für die bandenmäßige Steuerhinterziehung generell auf eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erhöht. Es verlängert sich auch die Verfolgungsverjährung nach § 376 Abs. Abs. 1 AO auf zehn Jahre, sofern es zu einer Unterbrechungsmaßnahme im Sinne des § 78c StGB kommt. In diesen Fällen tritt Verfolgungsverjährung erst nach maximal 25 Jahren ein.

Darüber hinaus wird die bandenmäßige Steuerhinterziehung auch generell Vortat der Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 StGB, sodass bereits vor der Reform des Geldwäschetatbestands auch von dieser Seite Ungemach und das Risiko weiterer Ermittlungen, wie z.B. Durchsuchungen, droht. Beim Verdacht der bandenmäßigen Steuerhinterziehung besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a StPO.

Fazit

Das Jahr 2020 war bisher das Jahr zur weiteren Kriminalisierung des Steuerrechts. Erste Reformen mit dem „Zweites Coronahilfegesetz“ und der Verlängerung der Verjährungsfristen sind schon Gesetz. Mit dem nun eingebrachten „Gesetz zu umfassenden Verfolgung der organisieren Steuerhinterziehung“ und der Reform des Geldwäschegesetzes werden weitere Verschärfungen im Steuerstrafrecht und erweiterte Ermittlungsmöglichkeiten nach der StPO folgen. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die nach der Abgabenordnung vorgegebenen Zuständigkeit für die Ermittlung von Besteuerungstatbeständen auf den Kopf gestellt wird. Als ob der Gesetzgeber die Aufklärungskompetenz für steuerliche Sachverhalte nicht mehr den Festsetzungsfinanzämtern und der Betriebsprüfung zugerechnet, sondern den Staatsanwaltschaften und Steuerfahndungsämtern.

Anm.: Am 13.01.2021 hat der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf (19/25819) in den Bundestag eingebracht.

 

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