Der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand

Die Ladung zu einer Zeugenvernehmung kommt oft überraschend. Wie damit umgehen? Die Rechte und Pflichten des Zeugen sind den wenigsten bekannt. Dazu zählt auch das Recht des Zeugen, sich von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen. Welche Aufgaben ein solcher Zeugenbeistand erfüllt und warum vor allem im Unternehmensstrafrecht die Hinzuziehung eines Zeugenbeistands sinnvoll ist, erklären wir im folgenden Beitrag.

Zeuge – was bedeutet das?

Ein Zeuge ist grundsätzlich jede Person, die eine Aussage zu einem bestimmten tatsächlichen Geschehen machen kann. Zeugen können sowohl an der Tat Unbeteiligte als auch Geschädigte der Tat sein. Die Zeugenaussage ist eines der Beweismittel im Strafverfahren. Sie kann während des Ermittlungsverfahrens vor Staatsanwaltschaft oder Polizei und/oder während der Hauptverhandlung vor Gericht erfolgen.

Welche Pflichten hat ein Zeuge?

Wer als Zeuge geladen wird, hat insbesondere drei Pflichten:

  1. Ein Zeuge ist verpflichtet, zur Vernehmung zu erscheinen.
  2. Er muss wahrheitsgemäß aussagen (eine Falschaussage ist strafbewehrt).
  3. In bestimmten Fällen hat der Zeuge die Pflicht, die Aussage zu beeiden. Das gilt uneingeschränkt bei einer Ladung durch Gericht oder Staatsanwaltschaft. Wird der Zeuge durch die Polizei geladen, bestehen diese Pflichten nur, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.

Welche Rechte hat ein Zeuge?

Erscheint ein Zeuge zur Vernehmung, ist er grundsätzlich verpflichtet, alle Wahrnehmungen, über die er befragt wird, wahrheitsgemäß zu schildern. Trotzdem muss er nicht zwingend alle Fragen beantworten, die ihm gestellt werden. Zeugen können die Aussage bzw. die Beantwortung bestimmter Fragen verweigern, wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht oder ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Diese Rechte sollen verhindern, dass ein Zeuge sich oder nahe Angehörige belastet (sog. „nemo tenetur“-Grundsatz) bzw. ein Berufsgeheimnis verletzt.

Das Zeugnisverweigerungsrecht und das Auskunftsverweigerungsrecht unterscheiden sich allerdings stark in ihrem Umfang:

Ein Zeugnisverweigerungsrecht berechtigt den Zeugen dazu, sich der Beantwortung von Fragen vollumfänglich zu verweigern. Es gibt im Wesentlichen zwei Gruppen mit Zeugnisverweigerungsrechten:

  1. Zeugen mit naher Verbundenheit zum Beschuldigten (verwandt, verlobt, verschwägert)
  2. Berufsgeheimnisträger (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen)

Davon zu unterscheiden ist das Auskunftsverweigerungsrecht: Läuft ein Zeuge Gefahr, sich selbst oder nahe Angehörige durch die Beantwortung einer konkreten Frage zu belasten, darf er die Antwort verweigern. Anders als das (vollumfängliche) Zeugnisverweigerungsrecht betrifft die Auskunftsverweigerung allerdings nur die jeweils konkret gestellte Frage. In Situationen, in denen die Beantwortung einer einzelnen Frage letztendlich dazu führen würde, dass das Recht auf Verweigerung von Selbstbelastung unterlaufen wird, kann auch eine einzelne Frage unzulässig sein.

Um diese Rechte und Pflichten angemessen ausüben zu können, hat ein Zeuge zudem immer das Recht, einen Zeugenbeistand hinzuzuziehen (§ 68 b StPO).

Der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand

Um sicherzustellen, dass die Interessen des Zeugen angesichts der oftmals überwältigend wirkenden Vernehmungssituation gewahrt werden, hat jeder Zeuge das Recht, einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand hinzuzuziehen. Das betrifft sowohl die Vernehmungssituation selbst als auch das zeitliche Vorfeld der Vernehmung.

Welche Aufgaben hat der Zeugenbeistand?

Der Zeugenbeistand ist dafür zuständig, die Rechte des Zeugen zu schützen und hilft, die Vernehmungssituation zu gestalten.

Neben der Gefahr der Selbstbelastung kann ein Zeuge sich bei falscher Aussage, gegebenenfalls sogar unter Eid, auch strafbar machen. Um das zu verhindern und die Interessen des Zeugen so weit wie möglich zu bewahren, begleitet der Zeugenbeistand den Zeugen sowohl im Vorfeld der Vernehmung als auch bei der Vernehmung selbst.

Aufgabe des Zeugenbeistands ist, den Zeugen über ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht aufzuklären und den Zeugen in Bezug auf die Vernehmungssituation inklusive Aussage- und Wahrheitspflicht zu schulen. Schulung meint hier keinesfalls die Beeinflussung der Aussage, sondern lediglich die Vorbereitung auf die Vernehmungssituation als solche.

Während der Vernehmung achtet der Zeugenbeistand darauf, unzulässige Fragen abzuwehren (z.B. bloßstellende Fragen oder Wertungen). Er kann bei Suggestivfragen oder missverständlichen Vorhalten auf klare und für den Zeugen verständliche Befragung bestehen. Wenn die Aussage des Zeugen zusammenfassend protokolliert wird, achtet der Zeugenbeistand darauf, dass der Inhalt des Protokolls keine Ungenauigkeiten enthält und so nachteilige Rückschlüsse auf den Zeugen zulässt.

Der Zeugenbeistand hat ein Anwesenheitsrecht bei der Vernehmung. Nur in Ausnahmefällen kann er davon ausgeschlossen werden (zum Beispiel, wenn anzunehmen ist, dass er selbst an der Tat beteiligt war, § 68 b Abs. 1 S. 4 Nr. 1 StPO).

Zeugenbeistand im Wirtschaftsstrafrecht

Gerade im Wirtschaftsstrafrecht kann die Beratung durch einen Zeugenbeistand besonders sinnvoll sein. Die hochkomplexen Sachverhalte, die sich oft über mehrere Unternehmensebenen oder sogar Unternehmensgrenzen (z.B. in Kartellverfahren) hinziehen, machen es dem Zeugen schwer, den Überblick zu behalten. Im Wirtschaftsstrafrecht sind Zeugen oft die Mitarbeiter des Unternehmens, die sich vielfach in einem Loyalitätskonflikt zu ihrem Arbeitgeber befinden oder Sorge haben müssen, dass sie vom Zeugen zum Beschuldigten werden.

Der Zeugenbeistand hat dort zwei entscheidende Vorteile: zum einen kann ein Zeugenbeistand mehrere Zeugen im gleichen Verfahren begleiten (anders als beim Strafverteidiger, der nur einen Beschuldigten in einer Sache vertreten darf). Das bedeutet für Unternehmen eine auch finanzielle Erleichterung, da sie nur einen Beistand bemühen müssen, wenn mehrere ihrer Mitarbeiter vernommen werden sollen.

Zum anderen hat der Zeugenbeistand die Möglichkeit bei Vernehmungen im Rahmen der Hauptverhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen, wenn Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse erörtert werden sollen oder besondere persönliche intime Fragen zu erwarten sind.

Fazit

Bei Verfahren im Unternehmensstrafrecht ist es sinnvoll, einen Zeugenbeistand hinzuzuziehen. Dies gilt besonders bei schnellläufigen und komplexen Verfahren, in denen es dem Zeugen schwerfällt, die Gegebenheiten selbst zu überblicken und die Kenntnisse eines erfahrenen Strafverteidigers gefragt sind. Dies macht den Zeugenbeistand zu einem fast unverzichtbaren Teilnehmer einer jeden Vernehmung. Es ist übrigens nie zu spät, sich den Rat eines Strafverteidigers zu holen: Ein Zeugenbeistand kann in allen Verfahrensstadien hinzugezogen werden.

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