Der Arzt als Mandant

Strafrechtliche Strategien in der Medizin

Im Arztberuf geht es häufig um Leben und Tod. Wenn den Menschen, die Leben retten sollen, Fehler vorgeworfen werden, stehen oft Karrieren auf dem Spiel. Und nicht nur das, denn auch die wirtschaftliche Existenz von Ärzten ist schnell gefährdet. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vorwurf berechtigt oder unberechtigt ist. Die Meinungsbildung hier ist schnell, laut und emotional. Genau deshalb müssen sich Ärztinnen und Ärzte der Tragweite von Vorwürfen und der eigenen Rolle bewusst sein.

Ärzte und Juristen haben gesellschaftlich angesehene, verantwortungsvolle Berufe. In ihrem Verhalten allerdings unterscheiden sie sich deutlich: Während der Arzt in seinem Beruf innerhalb von Sekunden Entscheidungen treffen muss, die über Leben und Tod entscheiden, können Anwälte ihre Strategien überdenken, um Mandanten vor Gericht gut zu vertreten. Wenn Ärzten Vorwürfe gemacht werden und die Unterstützung eines Anwalts gebraucht wird, treffen die Welten aufeinander.

Werden Ärzte eines Fehlers bezichtigt, der straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlich relevant ist, geht es für sie oft um ihre gesamte wirtschaftliche Existenz. Im Zweifel drohen ein Berufsverbot, der Entzug der kassenärztlichen Zulassung oder sogar der Approbation. Hinzu kommt, dass in Prozessen gegen Ärzte immer auch die Öffentlichkeit und Medien eine Rolle spielen, was häufig eine Schädigung ihres Rufs zufolge hat. Dabei muss es nicht immer nur um Fehler bei der Behandlung gehen, auch durch steuerrechtliche Vergehen kann der Arzt die Zulassung verlieren.

Fehlerquelle Handlungsdruck

Mit einer Anzeige konfrontiert, neigen Ärzte dazu, Fragen der Ermittlungsbehörden umfassend zu beantworten. Sie sind Macher und möchten das Problem so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Durch ihre Angaben, die nicht strategisch geplant, sondern eher intuitiv sind, verbauen sie sich oft eine effektive Verteidigung. Gibt es zu viel Material (Antworten), kann ein Prozess dann oft nicht verhindert werden. Ärzte gewinnen Zeit und Handlungsspielraum für die Verteidigung, wenn sie sich immer zunächst auf ihr Schweigerecht berufen. Der nächste Weg sollte zum Anwalt führen.

Verteidigungsziel Verfahrenseinstellung

Anders als im Fernsehen vermittelt, ist das Ziel der Verteidigung nicht immer der Freispruch in einer Verhandlung. Bei Vorwürfen gegen Ärzte ist das vorrangige Ziel für Anwälte meist das Verhindern einer Hauptverhandlung. Denn für den Arzt geht es um mehr als nur das Vermeiden einer Strafe. In der Regel will er seine Praxis weiterführen, ohne dass ein Reputationsschaden an ihm haftet. Das ist aber spätestens dann schwierig, wenn es eine große Hauptverhandlung mit viel Öffentlichkeit gibt. Steht auch nur die Möglichkeit im Raum, dass ein Arzt seiner Sorgfaltspflicht nicht nachkommt, hat er ein Problem. Patienten wandern ab und das schnell. Um diesen Schaden schon im Vorfeld abzuwenden, arbeiten wir als Verteidiger auf die Einstellung eines Verfahrens hin. Das hat gleich mehrere Vorteile: Es gibt keinen Schuldspruch, keinen Eintrag ins Bundeszentralregister (BZR) und eine öffentlichkeitswirksame Verhandlung mit hohen Kosten und psychischen Belastungen bleibt aus.

In jedem Fall hilft es Ärzten, die angezeigt worden sind, wenn sie aktiv an ihrer Verteidigung mitarbeiten. Natürlich fällt es schwer, mit schweren Vorwürfen konfrontiert zu werden. Der Arzt ist aber Experte für das Thema seines Falls. Deshalb kennt er den Markt und kann, wenn zum Beispiel Gutachten angefertigt werden müssen, Empfehlungen für Sachverständige aussprechen.

Was tun bei einer Anzeige

Um straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlich relevantes Verhalten oder einen Prozess zu vermeiden, können Ärzte präventiv tätig werden. Als Maßnahmen können zum Beispiel Krankenhäuser ein juristisches Zwischenfallmanagement, als Erste Hilfe in juristisch relevanten Notfallsituationen, etablieren. Auch die Einführung eines Compliance-Systems in medizinischen Einrichtungen stellt eine wichtige Präventionsmaßnahme dar. Stehen Vorwürfe im Raum, sollten Ärzte …

  • … im Vorfeld einer Anzeige ein gut vorbereitetes Gespräch mit Patienten/Angehörigen führen, ohne dabei ein Schuldeingeständnis zu machen. Begegnet man Betroffenen auf Augenhöhe, passiert es regelmäßig, dass sie von einer Anzeige absehen.
  • … einen überlegten Umgang mit den Medien, eventuell durch einen Pressesprecher, pflegen. In schwierigen Fällen ziehen wir Krisen-PR-Berater hinzu.
  • … sich bei der Konfrontation mit den Vorwürfen auf das Schweigerecht berufen und sich umgehend mit ihrem Anwalt beraten.
  • … den Geschädigten gegenüber positiv verhalten, was u. U. zu einer Rücknahme der Zivilklage führen kann.

Im Prozess mit Medizinern wird der Anwalt zum Übersetzer von der medizinischen Sprache in die Sprache – und das Verhalten – der Juristerei. Weil Ärzte und Anwälte sich so grundsätzlich unterscheiden, ist das häufig für beide Seiten schwierig. Nichtsdestotrotz ist es notwendig für eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie, dass spezialisierte Anwältinnen und Anwälte im Vorwurfsfall gegen Mediziner das Ruder übernehmen.

Ärztinnen und Ärzte benötigen ein besonderes Verständnis für ihren Beruf, ihre Entscheidungsprozesse und Haftungssituationen. Wessing und Partner verfügt über ein Team spezialisierter Medizin- und Arztstrafrechtler und steht mit Verständnis und Routine in Vorwurfsfällen und/oder bei Strafranzeigen sofort zur Verfügung.

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