BGH zur „Maskenaffäre“: Keine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bestätigt, dass sich die in der „Maskenaffäre“ wegen korruptiven Verhaltensweisen in Verdacht geratenen Beschuldigten nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e StGB strafbar gemacht haben (BGH, Beschluss vom 5.7.2022 – StB 7-9/22). Warum die Entscheidung folgerichtig ist, lesen Sie in diesem Blog-Beitrag. 

Hintergrund der „Maskenaffäre“

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie, Anfang des Jahres 2020, fassten zwei Privatunternehmer den Entschluss, Schutzausrüstung gegen COVID-19, darunter Atemschutzmasken, aus Asien einzukaufen, um diese in Deutschland gewinnbringend an Bundes- und Landesbehörden zu veräußern. Hierzu kontaktierte einer der beschuldigten Unternehmer einen ihm jeweils persönlich bekannten Bundestags- und einen Landtagsabgeordneten. Beide sollten sich gegen Entgelt – sowie insbesondere unter Einsatz ihrer Autorität und ihres Einflusses als Abgeordnete – gegenüber Bundes- und Landesbehörden dafür einsetzen, dass diese Kaufverträge mit der Firma des Unternehmers oder mit kooperierenden Unternehmen abschließen.

Die beiden Abgeordneten erklärten sich mit dem geplanten Vorhaben einverstanden. In der Folge traten die Parlamentarier mit Entscheidungsträgern verschiedener Bundes- und Landesbehörden in Verbindung und wirkten auf den Abschluss von Kaufverträgen über Schutzmasken mit den entsprechenden Unternehmen hin.

Hierbei traten die beschuldigten Abgeordneten u.a. mit dem Kürzel „MdB“ bzw. „MdL“ auf, das heißt in ihrer Position als Mitglied des Bundestages bzw. des Landtages. Im Gegenzug erhielten sie absprachegemäß eine Entlohnung in Höhe von 660.000 Euro bzw. 1.243.000 Euro.

Im März 2021 leitete die Generalstaatsanwaltschaft München gegen die Unternehmer sowie die beiden Abgeordneten Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern ein, in deren Rahmen gegen einen der beschuldigten Privatunternehmer ein Haftbefehl erlassen sowie gegen alle Beschuldigten der Vermögensarrest angeordnet wurde.

Die gegen die Haft- und Vermögensarrestanordnungen gerichteten Beschwerden der Beschuldigten waren erfolgreich; die Strafsenate des OLG München hoben die ergangenen Haft- und Vermögensarrestanordnungen auf (vgl. Beschlüsse vom 16.11.2021, 17.11.2021 und vom 18.11.2021). Das den Beschuldigten vorgeworfene Handeln sei nicht als Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten nach § 108e StGB strafbar. Denn sie hätten im Rahmen außerparlamentarischen Handelns nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht „bei Wahrnehmung des Mandats“ gehandelt.

BGH: Vermittlung der Masken erfolgte nicht „bei der Wahrnehmung des Mandates“ 

Die gegen diese drei Beschlüsse gerichteten weiteren Beschwerden der Generalstaatsanwaltschaft München hat der 3. Strafsenat des BGH nun verworfen. Er hat damit die bereits durch die Vorinstanz festgestellte fehlende Strafbarkeit nach § 108e StGB bestätigt.

Der BGH begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Tatbestände des § 108e Abs. 1 und 2 StGB unter anderem eine (erstrebte bzw. getroffene) Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Mandatsträger mit dem Inhalt voraussetzen, dass dieser „bei der Wahrnehmung seines Mandates“ eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornimmt oder unterlässt. Indem die beiden Abgeordneten außerhalb des Parlaments auf den Abschluss der entsprechenden Verträge hinwirkten, nahmen diese nicht ihr Mandat im Sinne der Vorschrift wahr.

Der 3. Strafsenat des BGH befasste sich ausführlich mit der Auslegung des Tatbestandmerkmals „bei Wahrnehmung seines Mandats“ und äußerte sich hierzu wie folgt:

„Das in § 108e Abs. 1 und 2 StGB normierte Tatbestandsmerkmal „bei der Wahrnehmung seines Mandates“ ist dahin zu verstehen, dass die Mandatstätigkeit als solche, nämlich das Wirken des Abgeordneten im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Parlamentsmitgliedern besetzten Kommissionen, erfasst ist.“

Dieses Ergebnis folge aus der Auslegung des Tatbestandsmerkmals unter Anwendung der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden nach dem Wortlaut, dem systematischem Kontext, Sinn und Zweck der Norm sowie dem Willen des Gesetzgebers.

Dass sich die Abgeordneten in außerparlamentarischen Tätigkeiten auf ihren Status als Abgeordnete berufen und ihre Beziehungen zu Entscheidungsträgern gegenüber Behörden (aus)nutzen, reiche für eine Strafbarkeit nicht aus. Eine solche kommt danach lediglich bei der Vornahme parlamentarischer Handlungen im Gegenzug für eine Gegenleistung in Betracht. Hieran fehle es im vorliegenden Fall der außerparlamentarischen Gegenleistungen gegen Gewinnbeteiligung. Danach haben die Beteiligten durch die Beeinflussung des Abschlusses verschiedener Maskenkaufverträge nicht „bei der Wahrnehmung“ des Mandates im Sinne des § 108e StGB gehandelt.

Der BGH begründet seine Auslegung, unter Heranziehung der Gesetzesbegründung und den hierzu abgegebenen Stellungnahmen, vor allem mit der Intention des Gesetzgebers; dieser habe bewusst darauf verzichtet, außerparlamentarische Tätigkeiten vom Tatbestand zu umfassen.

Eine vermeintliche Strafbarkeitslücke „bestehen [zu] lassen oder durch eine neue Regelung [zu] schließen“, sei, so der BGH, Sache des Gesetzgebers.

Bewertung

Unabhängig von der rechtspolitischen Bewertung, dass sich Mandatsträger außerparlamentarisch ihrer Position bedienen, um – aktuell straffrei – persönliche Vorteile zu erlangen, und hierzu beispielsweise eine weltweite Krisensituation ausnutzen, ist die Entscheidung des BGH nicht zu beanstanden. Es obliegt dem Gesetzgeber, zu entscheiden, ob und welches Rechtsgut er unter den Schutz des Strafrechts stellt.

Mit der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2014 (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drs. 18/476) wurde der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung erweitert, die in § 108e StGB geregelten Tatbestände neu gefasst und der Anwendungsbereich auf Handlungen im Auftrag oder auf Weisung „bei Wahrnehmung des Mandats“ ausgedehnt. Durch die Änderung sollte Vorgaben auf internationaler Ebene entsprochen und strafwürdige korruptive Verhaltensweisen (auch kommunaler) Mandatsträger erfasst werden.

Ziel des Gesetzgebers war die Schaffung eines Straftatbestandes, der dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) und zugleich den Besonderheiten parlamentarischer Willensbildung Rechnung trägt. Die freie Willensbildung und -betätigung „in“ den Parlamenten sollte vor unzulässiger Einflussnahme geschützt werden. Geschützt werden sollten nach der Gesetzesbegründung auch das öffentliche Interesse an der Integrität „parlamentarischer Prozesse und der Unabhängigkeit der Mandatsausübung sowie der Sachbezogenheit „parlamentarischer Entscheidungen.

Die letzte Gesetzesänderung im Jahr 2021 (BR-Drs. 660/21) umfasste keine Änderung des Tatbestandes, sondern ausschließlich die Erhöhung des Strafrahmens des § 108e StGB. In einer Beschlussempfehlung hierzu (vgl. BT-Drs. 19/30492, S. 23) findet sich allerdings versteckt die Formulierung, dass durch § 108e StGB „die Integrität und Funktionsfähigkeit des repräsentativen Systems insgesamt geschützt“ werde, „indem Handlungen verboten werden, die tatsächlich oder auch nur dem Anschein nach daran zweifeln lassen, dass Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihr Mandat unabhängig ausüben.“. Der Schutz des Rechtsguts der „Integrität und Funktionsfähigkeit des repräsentativen Systems insgesamt“ lässt die vom BGH angenommene Auslegung des Tatbestandsmerkmals nicht als zwingend erscheinen.

Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2014 hat sich der Gesetzgeber aber – wohl – gegen eine Strafbarkeit aller Verhaltensweisen von Abgeordneten entschieden, die lediglich im Zusammenhang mit dem Mandat stehen. Der BGH legt den Tatbestand im Hinblick auf außerparlamentarische Tätigkeiten in seinem Beschluss jedenfalls nach den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers eng am Wortlaut und gemäß dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ („kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz“) aus.

Die Diskussion darüber, wie eine Strafbarkeitslücke der außerparlamentarischen Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit geschlossen werden könnte, ist in vollem Gang. Von der Regierungskoalition wurde bereits im Koalitionsvertrag ein Gesetzentwurf zur wirksameren Ausgestaltung des Straftatbestands der „Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit“ angekündigt. Wie die schärfere Ausgestaltung des § 108e StGB konkret aussehen soll, bleibt abzuwarten.

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