Wir Geldwäscher – zum Entwurf eines Gesetzes zur effektiven Verfolgung der Geldwäsche

Strafgesetze sollen primär sozial wesentliches Fehlverhalten sanktionieren. Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Gesetzgebung ein Grundsatz. Eben daran kann man mit Blick auf das neue Geldwäschegesetz zweifeln. Brauchen wir diese Verschärfung? – ein Kommentar.

Die Geldwäsche-Richtlinie

Der Gesetzgeber war gehalten, die Vorschrift des § 261 StGB an die Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. L 284 vom 12.11.2018, S. 22) anzupassen.

Diese Richtlinie verlangt aber bei weitem nicht das, was der deutsche Gesetzgeber daraus machen will. Die Begründung des Gesetzentwurfes stellt dies selbst deutlich dar. Die Alternative wäre die „punktuelle Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 Absatz 1 Satz 2 StGB, die Anpassung bei der Regelung zu Auslandstaten als Vortaten und die Einfügung eines Strafschärfungsgrundes“ gewesen. Vergleichsweise unspektakulär und die bisherige Systematik ergänzend, statt sie völlig zu ändern.

Verstehen könnte man dieses Vorhaben des Gesetzgebers, wenn das Gesetz dadurch effizienter, handhabbarer und zielgerichteter geworden wäre. Das Gegenteil ist der Fall.

Man muss sich nicht unbedingt dem Kreuzzug des ehemaligen BGH-Richters Fischer gegen die Geldwäschevorschriften anschließen. Die Sachargumente in seinen Kolumnen in den großen Tageszeitungen tragen trotzdem. Geldwäsche ist, gemessen an der Verurteilungshäufigkeit, ein Popanz. Über die letzten Jahre schwankt die Statistik um 1000 Verurteilung pro Jahr. Nicht einmal Promillewerte bezogen auf die Anzahl der Straftaten gesamt pro Jahr – insgesamt ca. 5.500.000. Und das bei einer Verdreifachung der von den Finanzinstituten verpflichtend abzugebenden Geldwäschemeldungen.

Wobei diese Steigerung wohl auch von der Justiz wesentlich mitverursacht ist, wenn sie Verhalten von Compliance-Verantwortlichen von Banken sanktioniert (z.B. Beschluss OLG Frankfurt am Main, 10.04.2018 – 2 Ss-Owi 1059/17). Diese Zahlen dekuvrieren den Bereich der Geldwäsche als Spielzeug der Symbolpolitik ohne volkswirtschaftlich oder kriminalistisch tiefen Wert.

Hochgehalten wird von der Begründung, man könne auf diese Art und Weise organisierte Kriminalität besser verfolgen. Warum das so ist, wird nicht ganz klar. Bereits nach jetzigem Recht sind bandenmäßige und gewerbsmäßige Straftaten nach dem Strafrahmen im erheblichen Bereich angesiedelt. Über die § 73 ff. des Strafgesetzbuches, welche die Einziehung regeln, sind Taterträge in weitestem Umfang kassierbar. Die wenigen Fälle, in denen man eine Vortat nicht eindeutig benennen kann, aber sicher sein kann, dass Vermögen illegal erlangt ist, rechtfertigen nicht – siehe Verhältnismäßigkeit – ein Gesetz von der Intensität des Entwurfs.

Welcher wirkliche sachliche Grund existieren soll, die geplante Verschärfung zu rechtfertigen, ist nicht nachvollziehbar. Die Begründung des Entwurfes selbst stellt fest, dass wir den größten Teil des Programmes, welches die EU-Richtlinie verlangt, bereits in der bisherigen Gesetzgebung abgearbeitet haben. Warum dann die ebenfalls dargestellte Alternative der Ergänzung der Vorschrift im Sinne der Richtlinie nicht ausreichen soll, ist kaum nachzuvollziehen. Vielleicht ist es auch nur deutsche Gründlichkeit, nach dem Motto: „Viel hilft viel“.

Der Rundumschlag

Damit sind wir bei dem eigentlichen Paukenschlag: Der Katalog der Vortaten wird entbehrlich, weil nunmehr jegliche Tat Vortat sein kann. Der gesamte Kanon aller Strafgesetze, nicht nur derjenige des StGB, sondern auch aller inzwischen unendlich ausgerufenen Nebengesetze und strafrechtlichen Annexe zu zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Kodifikationen ist nunmehr Vortat.

Also: wer fahrlässig nicht weiß, dass die von ihm verkauften lebenden Muscheln nicht aus einem nach Europarecht zulässigen Gebiet stammen (für Liebhaber der Genauigkeit siehe: Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung, Tier-LMHV § 5 Abs. 2) ist nunmehr bezüglich seiner Einnahmen Geldwäscher. Lächerliche Konsequenzen eines Gesetzes legen eben offen, wo eine Vorschrift eklatante Schwachstellen hat. Solange der Entwurf auch Fahrlässigkeitstaten zu den Geldwäschevortaten macht, entgeht er dieser Problematik nicht.

Großzügig stellte der frühere Referentenentwurf fest, dass er die Leichtfertigkeit aus der Vorschrift herausgenommen hat. Sie ist wieder drin, zwar nicht mehr bezogen auf Strafverteidiger, dem BVerfG wollte man dann doch Genüge tun. Aber jetzt haben wir eine vorsatzlose Strafbarkeit der Konsequenzen einer Fahrlässigkeitstat. Zwei Mal fehlender Vorsatz reicht aus, um den Handelnden zum Geldwäscher zu machen.

Auswirkungen

Lapidar stellt der Entwurf fest:

Mehraufwand im justiziellen Kernbereich sind bei den Ländern in nicht unbeträchtlichem Umfang zu erwarten. Die Aufnahme sämtlicher Delikte in den Kreis der Vortaten führt zu einer Ausweitung des Geldwäschetatbestands, was die Anzahl der Strafverfahren erhöhen dürfte.

Der Mehraufwand trifft die Länder, deren Justizsysteme die Mehrlast tragen müssten. Aus Sicht des Praktikers wird das eine ganz erhebliche Mehrlast. Wenn die Staatsanwaltschaft das Verfolgungsgebot des § 160 StPO für den Fall der Geldwäsche ernst nehmen wollen, haben sie praktisch bei jeglicher Straftat zu prüfen, ob deren Konsequenzen nicht in irgendeiner Weise finanzieller Art sind.

Dann ist das Verfahren im Weiteren auf den Vorwurf der Geldwäsche zu erweitern. Wenn man die oben zitierten Zahlen der Geldwäscheanzeigen und der daraus folgenden justiziellen Konsequenzen ansieht, könnte man zu der Auffassung kommen, dass die Justiz die Vorschrift deutlich weniger ernst nimmt als die Politik. Sollte das so sein, wird sich das mit dem neuen Gesetz vertiefen.

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